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Der Hype um Nissan Skyline & Co.

Jahrzehnte lang hat vor allem die Auto-Nation Deutschland auf die Japaner herabgeblickt, neuerdings verneigt sie sich. Die Szene freut sich über eine wachsende Fan-Gemeinde, Respekt und Wertschätzung steigen – und auch die Preise.

Sie nur Fans zu nennen, wäre zu wenig. Sie sind Pilger. Schon toll, dass in Halle drei die größte Sammlung von John-Player-Rennautos zu betrachten gibt, aber die Motorshow Essen ist ja in erster Linie eine Tuning-Messe, und so bestaunen sie vor allem die Preziosen ein paar Stände weiter. Wer hätte gedacht, dass sich Auto-Deutschland mal an ein paar Nissans die Nasen plattdrückt, aber das hier ist ja auch eine außergewöhnliche Sammlung.  

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Mit einem vom R35 GT-R T-Spec in der raren Farbe Midnight Purple fing alles an. Dann begannen sie bei ChromeCars zu graben, was es sonst noch so gäbe. In einem Vierteljahr sammelte das Team um Kai Nieklauson sechs seltene Exemplare zusammen, darunter vier in Midnight Purple, das auch deshalb so beliebt ist, weil der aufwändige Flip-Flop-Lack mit Spezialpartikeln je nach Lichteinfall die Farbe wechselt, von Lila-Metallic über Blau in Grün.

Einer seiner purpurnen Schätze erfreut sich besonderer Aufmerksamkeit, elektrisiert die Fans und hat Nieklauson seine Truppe in den Schatzsucher-Modus versetzt. In der Dokumentation des betreffenden R34 GT-R V-Spec mit auffällig großem Heckflügel und einer markanten Entlüftungshutze auf der Motorhaube taucht das Kürzel CRS auf, das für „Clubman Race Spec“ steht.

Nicht jeder darf

Es ist mittlerweile leichter, in einen britischen Herrenclub aufgenommen zu werden, als bei Nismo ein auf Renntrimm getuntes Straßenauto zu bekommen. Die hauseigene Edelschmiede des Konzerns fertigt im Jahr keine Handvoll Fahrzeuge. Die Kundschaft muss das Auto selbst vorbeibringen und je nach Konfiguration bis zu 500.000 US-Dollar im Voraus berappen, um dann geduldig auf der Warteliste Platz zu nehmen. Nur reich sein reicht freilich nicht: „Als Nicht-Japaner kommst du gar nicht erst auf die Liste. Du musst einen Broker haben“, sagt ChromeCars-Berater Benny Heeg, der tief in der Szene verwurzelt ist. 

Im Jahr 2012 entstand ein Demo-Auto, das 2013 auf einer Messe präsentiert wurde und bis heute bei Nismo steht. Die weiteren Aktivitäten bis 2019 liegen ansonsten weitgehend im Dunkeln. Bis heute sind lediglich elf Autos bekannt, die in der legendären Omori-Factory umgebaut wurden – bis Nieklauson dieses gute Stück in die Hände fiel. Gewöhnlich werden die CRS-Autos ausschließlich in stählernem Grau ausgeliefert, insofern passte dieses im besagten Flip-Fop-Lila nicht ins Bild. Allerdings stammen sämtliche Rechnungen, inklusive der breiteren Kotflügel und der leistungsfähigeren R35-Bremse, direkt von Nismo – und zwar aus den Jahren 2012 und 2013. Ist dieses Auto neben dem offiziellen Showcar entstanden?

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Apropos exklusiv: Vom R35 im noch rareren Farbton „Midnight Opal“ legte Nissan 2014 115 auf Kiel, ganze drei Linkslenker-Modelle kamen nach Europa, einen hat Nieklauson ergattert, und der ist nicht mal das scheueste Wild in der Sammlung. Vom abermals in changierendem Purpur lackierten R35 in der T-Spec-Variante mit Keramik-Bremse wurden 112 gebaut, nur ein einziger fand seinen Weg nach Old Europe und steht jetzt in Jena. 

Der Jüngste in der Riege ist ein 2022er R35 GT-R Nismo mit dezenten roten Streifen an Karbon-Frontlippe, Spiegeln und Felgen. Ganze sieben Linkslenker wurden ausgewählten GT-R-Händlern in Europa zugeteilt. Nur zwei standen in „Jet Black“  auf der Fähre, einer nun bei ChromeCars. Er ist einer der letzten seiner Art, denn Nissan hat den seit 2007 gebauten GT-R 35 im Vorjahr nach 15 Jahren eingestellt.

Auf der Tokio Motorshow war ein Showcar für 2024 zu bestaunen, aber wegen verschärfter Lärmvorschriften ist bisher nicht geplant, das Auto in Europa zu verkaufen, womit der nächste Run auf Raritäten schon programmiert ist. Es gäbe da vielleicht noch ein ganz besonders exklusives Exemplar, passend zu acht olympischen Goldmedaillen golden lackiert, gefertigt für den schnellsten Mann der Welt. Aber bisher ist nicht bekannt, dass Usain Bolt sich trennen will von seinem Einzelstück. 

Hollywood sorgt für Image-Wandel

Ein Toyota Supra mit Doppelturbo wurde in den frühen Neunzigern hierzulande zu Unrecht als „Luden-Auto“ beschimpft (Die Zuhälter-Szene stand schon damals viel mehr auf AMG-Mercedes). Mit der dominanten Heckflosse auf dem Kofferraumdeckel wollte sich kaum jemand sehen lassen, der die 100 Riesen für den japanischen Sportler aufbringen hätte können. Heute nicken Kenner anerkennend: Registeraufladung. Hatte bis dahin nur der Porsche 959. 

Dass japanische Ingenieurs-Kunst heute nicht nur anerkannt, sondern geradezu verehrt wird, ist nicht zuletzt Paul Walker zu verdanken. Der amerikanische Schauspieler und Filmproduzent war Hauptdarsteller im 2001 erschienenen Popcorn-Kino-Streifen „The Fast and the Furious.“ Das in der Street-Racing-Szene beheimatete Action-Drama hat mittlerweile eine Industrie begründet, die in zwei Jahrzehnten zehn Kinofilme, zwei Kurzfilme und eine Animations-Serie hervorgebracht hat, in der auch die japanische Driftszene und japanische Tuning-Autos prominente Rollen spielen. Der Kultbildung nicht abträglich ist der Umstand, dass Walker 2013 durch einen tragischen Unfall überraschend mit 40 ums Leben kam. 

Ein nicht zu unterschätzender Faktor sind fünf Videospiele, die sich mit dem Fast and Furious-Thema beschäftigen und Rennsimulationen wie die Gran-Turismo-Reihe, in der zahlreiche hochgezüchtete Japaner in der virtuellen Garage stehen. „Viele Interessierte kommen aus der SIM-Racing-Szene“, weiß Kai Nieklauson.

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Ein Prototyp des ersten Impreza WRX-Coupés kam beim Auktionshaus Bonham’s kürzlich für 550.000 Euro unter den Hammer. In Britannien waren die blauen Boliden mit den goldenen Felgen spätestens seit Colin McRaes Rallye-Weltmeistertitel 1995 Kult. Jener erste Impreza WRX gehörte eine Weile zu den meistgeklauten Autos auf der Insel. Und selbst ein einst verschmähter Bugeye Impreza WRX aus dem Weltmeister-Jahr 2001 (Fahrertitel durch Richard Burns) hat sich als unverbasteltes Original längst wieder an seinem damaligen Neupreis vorbeigeboxt. 

Die Preise für seltene, oder technisch besondere Japaner sind in den letzten Jahren teilweise um das Zehnfache gestiegen, im Sammelbecken tummeln sich längst nicht mehr nur Enthusiasten, sondern auch Investoren. „Was früher 200.000 gekostet hat, liegt jetzt vielleicht bei zwei Millionen“, schmunzelt Nieklauson. Als er nach einem raren, bei Nissan-Haustuner Nismo gefertigten Z-Tune suchte, verlangte ein Australier vier Millionen. Trotzdem wiegelt der Sammler und Händler aus Jena ab: „Von einem Hype würde ich nicht reden. Die Preise sind jetzt auf einem gewissen Niveau, die sacken auch nicht mehr durch.“ 

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Auch bei Ersatz- oder Tuning-Teilen gibt es längst keine Schnäppchen mehr. Eine Karbon-Motorhaube für den Skyline kostet gern mal 12.000 Euro – plus etwa 6.000 für den Transport. Bei einer Auktion waren kürzlich in zwei Minuten alle Exemplare verkauft. Jäger und Sammler Benny Heeg kennt fast alle Spezifikationen der begehrten Modelle und zeigt sich bei allem Jagdeifer beeindruckt: „Es gibt da keinen Neid, keine Missgunst. Auch wenn du etwas sehr Spezielles sucht, kann ich das in meinem Netzwerk bekommen.“

Anders als hierzulande, wo exklusive Geräte gern ohne Typenschild bestellt werden, tragen die Nippon-Freunde ihre Umbauarbeiten stolz zur Schau und teilen ihre Aufrüstungsbemühungen mit anderen Begeisterten in Online-Foren und –Registern –  mit dem Nebeneffekt, dass Abstammung und Originalität bei vielen Modellen bestens dokumentiert sind, was schwarzen Schafen auf dem Markt das Handwerk erschwert und die Werte stabil hält.

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Was die Preise zusätzlich anfeuert, ist die Gesetzeslage in den Vereinigten Staaten. Autos, die offiziell nicht in den USA verkauft werden, dürfen erst nach 25 Jahren importiert werden, und der ein oder andere GT-R nähert sich der Vierteljahrhundert-Marke. Ungeduldige versuchten schon früher reich zu werden. Vom R34 wurden diverse Exemplare in Häfen beschlagnahmt. Einige Händler landeten im Gefängnis, die Autos wurden gnadenlos in der Schrottpresse vernichtet, womit die überlebenden Exemplare noch seltener werden. In Asien sind limitierte Auflagen ein großer Renner, egal, ob Louis-Vuitton-Taschen in China oder Sonder-Editionen von Autos in Japan. 

In Essen gaben sich solvente Interessierte für das GT-R-Sextett am ChromeCars-Stand die Klinke in die Hand. „So habe ich auch mal einen Milliardär kennengelernt“, staunt Nieklauson. Er hätte mühelos jedes einzelne Auto an den Mann bringen können, aber der Thüringer will, dass seine Schätze beisammen bleiben. Konservativ kalkuliert, dürfte die lila Flotte mindestens 2,5 Millionen Euro wert sein.

Zum Vergleich: Eine ebenfalls exklusive Sammlung von fünf schwarzen Ferrari Testarossa taxiert Nieklauson mit dagegen bescheidenen 1,5 Millionen. Waren außer dem Dauerbrenner Porsche 911 in der deutschen Klassik-Szene vor allem italienische Autos der Renner, ist die Liebe zur Pasta spürbar erkaltet. Den Petrol Heads gelüstet es zunehmend nach Burgern oder Sushi. Die US-Car-Szene ist in Skandinavien, besonders Schweden extrem rührig, früher gab es wenige Autos in Deutschland, die meisten dazu wild verbastelt, die Popularität von US-Muscle Cars ist wie die von Reisrennern stetig gewachsen.

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Was die Szene den Japanern hoch anrechnet, ist auch, dass sie in Zeiten der Glorifizierung der Elektrifizierung Flagge zeigen. Als die deutschen Premium-Marken anfingen, sich im Grünwaschen gegenseitig zu überbieten, begann der weltgrößte Hersteller Toyota gegen den Strom zu schwimmen. „Ich halte ein Verbrenner-Verbot für einen Fehler“, sagt der bisherige Präsident Akio Toyoda seit vielen Jahren unverblümt und schenkte der Welt mit dem Yaris GR einen Allradler mit Turbo, vor dem sich selbst die teutonische Arroganz anerkennend verneigt.

Der jüngste und vielleicht coolste Rallye-Weltmeister der Geschichte fährt beruflich mit Toyotas zum Sieg, privat verbringt der 22-jährige Kalle Rovanperä seine Freizeit mit nichts lieber als mit Drift-Wettbewerben – in einem über 900 PS starken Supra. Drift-Könner sind in Japan fast so populär wie Sumo-Ringer.

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Nicht mehr erwünscht sind Golf-Freunde in Österreich. 2022 kamen trotz Corona bedingtem und Veranstaltungsverbot 5.000 GTIs nach Maria Wörth. Am Wörthersee sind sie nun nicht mehr willkommen. Nach 40 Jahren werden die tiefer gelegten Volks-Rennwagen noch tiefer gelegt – unter die Erde. Nicht Marken gebundene Jecken des Kohlefaser-Karnevals können dennoch abfeiern: vom 4. bis 6. August trifft sich sie japanische Karbon- und-Chrom-Fraktion zum 19. mal am Lausitzring  – zum „Reisbrennen.“ Ausdrücklicher Wunsch des Veranstalters: Das ChromeCars-Sextett wird auch dabei sein.

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TEXT Markus Stier
FOTOS SioMotion

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