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SUV. Die achte Plage.

Der Weltuntergang muss neu geschrieben werden. Was uns die Bibel immer verschwiegen hat: Alles Übel beginnt mit dem SUV.

Nach Geschwüren, zu Blut werdenden Flüssen, und Meeren, nach sengender Hitze, Dürre und Dunkelheit kommt ein großes Erdbeben. Diese siebte Plage bringt Erschütterungen und Steinhagel. Das ist das Ende. Was uns die Offenbarung des Johannes der finale und spektakulärste Teil des neuen Testaments verschweigt: Die apokalyptischen Reiter werden nicht zu Pferd erscheinen, sie fahren im SUV.

Das ist jedenfalls der Eindruck, der sich beim Durchblättern und Durchzappen aufdrängt. Die Öffentlich-Rechtlichen Fernsehsender haben sich ebenso auf die „Sports Utility Vehicles“ eingeschossen wie viele große Printmedien. Keine Geschichte über den Klimawandel, über Ressourcen-Verschwendung und blinde Raserei ohne das unselige Wirken der Pseudo-Geländewagen.

Im hessischen Rundfunk behandelte unlängst ein Kollege die Frage: Sind SUVs asozial? Die beantwortete er natürlich unterschwellig auch beim nettesten Gangster-Rapper, der ihn in seinen G-Mercedes ließ, mit ja. Das SUV ist neuerdings nicht mehr nur eine Plage, sondern auch ein Schimpfwort. Der Spiegel, das „Sturmgeschütz der Demokratie“, titulierte kürzlich Dieter Nuhr als ‚SUV der Comedy-Szene‘, nachdem er sich erdreistet hatte, Greta Thunberg durch den Kakao zu ziehen. Auch wenn die Buchstaben nicht passen, SUV ist die Abkürzung für Egoismus, Ignoranz und Rückständigkeit.

Das Wunder von Flensburg

Wie so oft bei Legenden, liegt der allerorten erzählten Geschichte vom alles auffressenden, verpestenden und plattwalzenden SUV eine ältere Erzählung zugrunde: Das Wunder von Flensburg. Dort sitzt das Kraftfahrtbundesamt, das turnusmäßig die offiziellen Pkw-Zulassungszahlen veröffentlicht. Und gemäß der Zahlen sind angeblich SUV und Geländewagen die meistverkaufte automobile Spezies. Das Wunder liegt darin, dass sich die Zahlen auf dem Weg in viele Redaktionen wundersam verändern. Denn das KBA behauptet keineswegs, dass SUV die Statistik dominieren, das tun nur Aktivisten, Journalisten und Politiker.

Von Januar bis Juli 2019 wurden 451.000 Autos in Deutschland zugelassen, davon 211.000 Geländewagen und SUV, die in der Statistik nicht getrennt werden. Darin liegt ein Problem, aber das kleinere. Ein größeres ist, dass es keine klare Definition gibt, was ein SUV überhaupt ist. Daran ist nicht nur das KBA Schuld, sondern maßgeblich auch die Automobilindustrie, die selbst jeden hochgebockten und plastikbeplankten Kleinwagen als SUV deklariert, weil die sich gerade so gut verkaufen – sagt ja auch die Statistik.

Übrigens: Auch, wenn in diesem Jahr die Zulassungszahlen im Vergleich zum Vorjahr gestiegen sind: Wir erleiden mitnichten eine neue Autoschwemme. Das Durchschnittsalter der deutschen Pkw-Flotte ist von zuletzt acht auf mittlerweile über neun Jahre gestiegen. Die große Mehrheit der Deutschen stürmt keine SUV-Showrooms, sie trägt ihre Gebrauchtwagen auf. Kein Wunder: Welcher ehrlich arbeitende Mensch kann sich denn einen Porsche Cayenne Turbo oder Range Rover Sport leisten?

Gepimpte Kleinwagen

Aber exakt Geräte dieses Schlages haben die Autogegner nach dem Aufsetzen der Hasskappe vor dem virtuellen Auge. Nur machen diese teuren Monster einen Bruchteil der angeblichen SUV-Flut aus – etwa 15 Prozent unter den Geländegängern und denen, die als solche deklariert werden. Der mit Abstand größte Teil sind bloß gepimpte Kompakte. Nur 15 Prozent beträgt der Allradanteil am aktuellen VW-Verkaufsschlager T-Roc. Den T-Cross, quasi ein Polo auf Steroid, gibt es gar nicht erst mit Vierradantrieb ebenso wenig wie den aufgebauschten Renault Clio, besser bekannt als Captur. Beide tauchen aber in der SUV-Statistik auf. Die als Beweis für automobile Auswüchse heranzuziehen, ist damit ungefähr so fair, wie Kreuzfahrten dem öffentlichen Personentransport zuzuschlagen.

Die Boliden-Basher bemängeln natürlich auch das horrende Gewicht, die erbärmliche Windschlüpfrigkeit und den dramatischen Platzverbrauch. Wirklich? Obwohl einen Hauch kürzer (2,4 Zentimeter) bietet ein VW T-Roc 445 Liter Kofferraumvolumen, ein Golf nur 380. Der T-Roc ist genau zwei Zentimeter höher und breiter als ein Golf, der mit vergleichbarer Ausstattung und mit dem weit verbreiteten 1,5-Liter-TSI-Benziner (150 PS) identisch motorisiert bei 1.294 Kilogramm Leergewicht gerade mal sechs Kilogramm leichter ist. Durch die leicht vergrößerte Stirnfläche hat der T-Roc einen höheren Verbrauch und erzeugt natürlich mehr CO2. 120 Gramm CO2 – exakt sechs Gramm mehr als der Golf. Bei einer Fahrleistung von 15.000 Kilometern pro Jahr wären das knapp 90 Kilo. Wir brauchen jetzt nicht über Sinn und Unsinn des offiziellen Messzyklus diskutieren, der spuckt weitgehend unerreichbare Fantasiewerte aus, es geht ja hier nur um die Vergleichbarkeit.

Moralischer Übereifer

Wir können natürlich vom Bentley Bentayga bis zum Kia Kona gern über Sinn und Unsinn von SUV oder Automobilen im Allgemeinen diskutieren, das können wir aber bei 1.000 anderen Dingen auch. Ich vermisse da ein bisschen die heiligen Kriege gegen Containerschiffe, Pellet-Öfen, Singlehaushalte mit mehr als 100 Quadratmetern Wohnfläche und so weiter. Dieselben, die vehement ein in Sachen CO2-Einsparung marginal wirksames Tempolimit auf Autobahnen fordern, sind seltsam still bei der Frage, wieviel Energie nötig wird, damit ein ICE Tempo 300 fahren kann.

Genauso berüchtigt wie für unseren sehr punktuellen moralischen Übereifer sind wir Deutschen für unsere Bigotterie. Derselbe Spiegel, der in seiner Online-Ausgabe den automobilen Menschen zum Irrtum erklärt und den erhöhten CO2-Ausstoß von SUVs anprangert, veröffentlicht zeitgleich ein Video mit einem Fahrbericht vom VW T-Roc, wie er auch bei auto motor und sport online hätte erscheinen können. Der Redakteur weist im Vergleich zum Golf nicht etwa auf den Verbrauch hin, sondern auf den größeren Kofferraum.

TEXT Markus Stier

LESENSWERT.
WALTER.