0,00 €

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

0,00 €

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

Hausbesuch bei Junghans.

Es gibt so Naja-Termine. Und dann gibt es Termine wie bei Junghans Uhren, wo du auf einmal nach 12 (!) Stunden zum ersten Mal auf die Uhr guckst, und die ganze Zeit das Gefühl hattest, dich mit einem Freund unterhalten zu haben. Hannes Steim (45) ist der neue Chef des ehemals größten Uhrenherstellers der Welt. Und er ist vor allen Dingen noch was: ein totaler Uhren-Freak und ein Autobesessener. Und das ist nicht mal nur so dahin gesagt. Au-to-be-ses-sen! Wie ich vielleicht noch keinen getroffen habe …

Persönlicher Vermerk von Wilhelm Maybach an Arthur Junghans auf der Bestellbestätigung seines Riemenwagens im Jahr 1895: „Die nötigen Instruktionen und das Anlernen zum Fahren hier am Platze durch mich würde für Sie und Ihren Diener kostenfrei verstanden sein. In Erwartung Ihrer geschätzten Nachrichten, mit Hochachtung freundschaftlich: Wilhelm Maybach.“ Diese Bestellung hängt hinter Glas im Besprechungsraum der Uhrenfabrik Junghans. Damit man mal ein Gefühl dafür bekommt wo man hier ist und welche Größe und Glanz der Name Junghans in Deutschland damals hatte.

Ortstermin. Schramberg. Im schwärzesten Schwarzwald. Da, wo wirklich nichts mehr in der Nähe ist. Wo man viermal aus der Karte bei Google Maps rauszoomen muss, bis man den ersten Ort sieht, den man zumindest vom Hörensagen entfernt kennt. Und wo doch ein Weltmarktführer neben dem anderen seine Fabriken aufgeschlagen hat. 1861 haben Erhard und Xaver Junghans hier mit der Produktion von Uhren begonnen. Und schon 1903 war man mit drei Millionen Uhren pro Jahr der größte Uhrenhersteller der Welt! Der ganzen Welt. „Junghans Uhren – von Schramberg in die ganze Welt“: dieser Schriftzug prangt noch heute auf einer großen Hauswand im Ort.

Junghans2

Zum 100. Firmenjubiläum im Jahr 1961 wurden von 6.000 Mitarbeitern an 10.000 Maschinen täglich 20.000 Uhren produziert, die in 100 Länder exportiert wurden. 20.000 Uhren am Tag! Aber nicht nur Armbanduhren. Da waren auch die  Küchenuhren (jeder hat bei Omma schon mal den Klassiker aus der Feder von Max Bill gesehen. Und das Wort Feder notieren wir uns mal, das brauchen wir gleich noch). Und auch die Sportzeitmessung war über Jahrzehnte fest mit dem Namen Junghans verbunden: Rennleiter-Legende Alfred Neubauer stoppte die Zeiten seiner Silberpfeile mit Junghans-Uhren, für die Olympischen Spiele in München 1972 revolutionierte Junghans die elektronische Zeitmessung – diese Technik wurde fortan auf der ganzen Welt eingesetzt. Man kennt auch noch die Einblendung des Wortes Junghans im Saba-Buntfernseher bei Skirennen und in den 80ern war auch die Formel 1-Zeitmessung ein Spielfeld der Schramberger in der ganzen Welt. 

Bei den Armbanduhren fallen einem sofort zwei Highlights ein: die superschlichten Max-Bill-Bauhaus-Designs, die seit den 60er Jahren fast unverändert gebaut werden, und der Oberknaller im Jahr 1990: die Mega 1! Die erste funkgesteuerte Armbanduhr der Welt (ja, der ganzen). Eine Uhr, die man niemals stellen musste, weil sie per Funkempfänger immer die exakteste Zeit anzeigte. Ich hatte eine. Ihr hattet eine. Die ganze Welt hatte eine.

Junghans11

Zu dieser Zeit gehörte Junghans schon nach einer feindlichen Übernahme nicht mehr der Familie Junghans, sondern dem Rüstungskonzern Diehl aus Nürnberg, der Junghans 2000 dann an die Holdinggesellschaft Egana Goldpfeil verkaufte, die aus verschiedensten Firmen nach dem LVMH-Vorbild aus Frankreich einen großen Luxuskonzern aufbauen wollte. Was gehörig schief ging, weil es LVMH eben schon gab. 2008 meldete die Holding nach ihren Allmachtsfantasien Insolvenz an und riss die funktionierende Firma Junghans mit in den Schlamassel.

2009. Bei Hannes’ Vater Hans-Jochem klingelte das Telefon. Der Oberbürgermeister aus Schramberg war dran. Ob man denn mal vorbeikommen könnte, man müsse über Junghans reden. Der Bürgermeister war in Sorge, dass Junghans an ausländische Investoren fällt und womöglich den Traditions-Standort verlassen müsste. Und in Schramberg gab es nur eine Familie, die das verhindern konnte: die Steims. Sie sind nämlich einer der eingangs erwähnten Weltmarktführer. Und jetzt holen wir unseren Spickzettel wieder raus, mit dem Wort „Federn“ darauf. Das ist es, was die Steims mit ihrer Firma Kern-Liebers produzieren. Winzig kleine Federn. Hatten die Hundebesitzer unter Euch schon mal eine Flexileine in der Hand? Die Federn darin kommen ausschließlich von Kern-Liebers. 50 Prozent aller Gurte, die ihr jemals in einem Auto angelegt habt, werden von einer Kern-Liebers-Feder wieder aufgerollt. Ich wiederhole das mal: 50 Prozent! Überall sind die Federn der Familie Steim zu finden: in quasi allen Schaltern, Werkzeugen, Hörgeräten, Haushaltsgeräten, einfach überall, wo sich etwas bewegt und wieder zurückbewegen muss, ist eine Kern-Liebers-Feder drin. In 47 Ländern hat Kern-Liebers Niederlassungen die von Staubsaugern gereinigt werden, deren Kabel sich mit Kern-Liebers-Federn aufrollen …

Und dieses Familienunternehmen gehört eben zu einem nicht uninteressanten Teil Hans-Jochem Steim und seinen Kindern. Da ist es klar, dass der Oberbürgermeister ruft. Weil kein anderer Junghans hätte übernehmen können. Und schon zweimal nicht aus dem Ort. Und was natürlich Allgemeinbildung ist: der Ur-Ur-Großvater väterlicherseits von Hannes Steim, Hugo Kern, hatte sein Imperium mit der Produktion von Aufzugsfedern für die Uhrenindustrie begonnen. Und der Ur-Großvater mütterlicherseits stellte Unruhfedern her …

Wir verstehen jetzt, wo sich die Kreise schließen, und warum die Familie Steim ein Segen für Junghans war und ist? Gut.

Anfangs waren die Steims noch zu sehr in die eigenen Betriebe eingebunden und ließen Junghans von Geschäftsführern leiten, seit letztem Jahr hat jetzt aber Hannes Steim persönlich das Ruder übernommen. Ich finde: er hätte es früher tun sollen. Wenn man mit ihm spricht erkennt man nach zehn Sekunden, dass der Mann ein Besessener ist. Ein angenehm Besessener. Wenn er erzählt, wie er auf er Jagd nach klassischen Junghans-Uhren fürs spektakuläre hauseigene Museum in einem nochmal spektakuläreren Terrassenbau ist, dann spürt man seine Liebe zu den Uhren. Er baut parallel zur Junghans-Sammlung auch eine eigene private Junghans-Sammlung auf. Er ist ein Jäger und Sammler. Aber immer nur besondere Stücke. Wie bei Autos. Aber darauf wartet Ihr noch ein bisschen. Lohnt sich. Holt mal so lange eine Spezi (Steims Lieblingsgetränk. Kein Alkohol, keine Laster. Nur vierrädrige!).

Hannes Steim ist in den USA geboren, hat abwechselnd in Deutschland und den USA studiert, dort später auch (nein nicht LA, Miami oder New York) im vollkommen unspektakulären Toledo/Ohio gelebt und die Kern-Liebers-Niederlassungen in den USA und Mexiko geleitet. Man merkt es in seinem Automuseum. Automuseum? Ja. Wer nach Schramberg fährt um sich dort eine so dermaßen unterhaltsame Führung über viele Etagen im für sich schon besuchenswerten Terrassenbau geben zu lassen, der geht danach noch durch die Autosammlung Steim ein paar Ecken weiter im Ort. Dort haben die Steims 140 Fahrzeuge zusammengetragen, die alle eine besondere Geschichte haben. Die wurden nicht wie in anderen Museen einfach angeschafft, damit man was zu zeigen hat. Diese Autos dort haben alle eine besondere Historie und wurden von Vater und Sohn Steim erworben, weil einer der beiden jeweils eine ganz persönliche Beziehung dazu hat. 

Da steht Hannes erste Studentenkarre aus den USA (ein BMW 2002 mit grausligen US-Stoßstangen) genauso, wie eine alte Werksfeuerwehr von Junghans, der 1959er W189 von Bundespräsident Heinrich Lübke, ein Original Formel 1 Toyota von Ralf Schumacher mit kompletten Toyota-Kommandostand, wie auch viele außergewöhnlichste US-Fahrzeuge, ein zu Schrott gepresster 911er Porsche, Maybachs, Wanderer, und und und. Dazu ein winziger Teil von Hannes ebenso privater wie unfassbarster Modellautosammlung.

Was da aber nicht steht: noch sehr viele private Autos, die Hannes Steim in einer (ob es wirkliche nur eine ist? Ich habe da meine berechtigten Zweifel) anderen Halle aufbewahrt. Und über die er nicht so gerne reden mag. Er ist immer noch der bescheidene Schwabe. So absurd das klingen mag, aber er ist es. Privatauto: 5er Touring. Nix M, nix Alpina. Brot und Butter-Rutsche.

Hannes, was war denn Dein erstes Auto?

„Ein VW Derby in hellgrünmetallic. Der war perfekt zum Schrauben lernen, aber er war wirklich schlecht. Die knallharte Steigerung war dann ein Golf 2 C mit 55 PS. Der dann aber weg musste, als ich mir einen weiteren Golf geholt habe. Mein Vater meinte damals, wir hätten keinen Platz für zwei Autos … das hat sich dann minimal geändert“, schmunzelt Steim.

Ja, ok, keinen Platz für zwei Autos und dann später ein Automuseum, die Steigerung ist merklich.

„Den Golf hab ich auch später zurückgekauft. Da hängen so viele Emotionen dran!“

Man merkt es, auch wenn Hannes Steim nach außen ein wenig vorsichtig auftritt und eher zurückhaltend wirkt: er ist definitiv ein hochemotionaler Mensch. Halt mehr im Inneren. Aber man merkt es. Da wohnt ganz viel Herzlichkeit in ihm. Und er ist blitzgescheit und sehr empathisch. Viele Mitarbeiter von Kern-Liebers waren sehr traurig als er zu Junghans gewechselt ist, erzählt man sich im Ort.

Über all dem steht aber seine Liebe zu Autos. Aus der ganzen Welt. Der Mann hat so viel Ahnung von Autos, wie ich es mir für mich wünschen würde. Es ist unglaublich, wie er über jeden noch so wilden Vorkriegs-Ami referieren kann. Und ihn wahrscheinlich auch besitzt. Wenn er mit den Vorkriegsfahrzeugen ausrückt, zum Beispiel zur Teilnahme bei der Silvretta-Classic, dann geschieht das auf Achse. Nix Hänger. Für ihn ist das das Größte. Hunderte Kilometer durch den strömenden Regen – ist Hannes egal. Seine Autos werden gefahren. Auch vor kurzem beim Oldtimer Grand Prix: da ist er nicht bei den Rennen gestartet, sondern hat Runde um Runde Taxi-Fahrten für Freunde und Juweliere auf Grand Prix-Kurs und Nordschleife abgehalten. In einem, Verzeihung, in seinem BMW M1. Da wird nix geschont. Alles wird gefahren.

Hannes, was war Dein erster Oldtimer, den Du gekauft hast? Ja, der Golf 2 ist natürlich auch einer, aber damals ja noch nicht.

„Das war ein DKW 1000. Den hab ich natürlich auch heute noch!“

Klar, heute ist ja Platz da. Aber bei all den Autos: wenn Du nur drei behalten dürftest, welche wären das?

„Dann würd ich alle verkaufen und gar keins behalten. Das könnt ich dann nicht mehr. Aber ich versteh Deine Frage. Wenn ich also theoretisch nur drei Autos behalten dürfte, dann wäre das definitiv mein BMW 2002 aus der Studienzeit in den USA, der Maybach Zeppelin aus 1932 und auf jeden Fall den M1. Das wäre doch ein guter Mix.“

Und den Peterbilt 359 nicht mehr? 

„Haha, ja, ich weiß was Du meinst. Das ist natürlich einer meiner Schätze. Mit dem hab ich eigentlich immer meine Autos irgendwo hergeholt. Da bin ich schon mal Freitags nach der Arbeit Richtung Nordsee gestartet, hab dort ein Auto aufgeladen und bin wieder nonstop in den Schwarzwald gedonnert um pünktlich Montag morgen wieder fast ohne Schlaf in der Firma zu sein! Da musste der 14,5 Liter-Reihensechszylinder mit seinen 400 PS ganz schön arbeiten! Aber um auf Deine Frage zurückzukommen: wenn ich nur noch drei Autos hätte, bräuchte in den Perterbilt nicht mehr, ich dürfte ja keine mehr holen.“

Ihr wisst jetzt, was ich mit besessen im positivsten Sinne meine? Der Mann kauft nicht nur gerne Oldtimer für die Sammlung, er holt sie auch noch persönlich mit einem spektakulären 14.5-Liter-Oldtimer-Truck  (Hubraum, nicht Verbrauch) aus dem Jahr 1982 auf Achse ab. Wir fühlen Dich, Hannes! Hat jemand wie Du überhaupt noch automobile Wünsche?

„Oh ja! Einen ganz besonderen, aber den werde ich mir nicht erfüllen: 427er Shelby Cobra! Aber die bleibt ein Traum, weil sie von der Gesamtheit her nicht so wirklich einsetzbar ist und die Preise auch wahnsinnig durch die Decke gegangen sind. Es ist einfach toll, sie irgendwo zufällig zu sehen. Aber es ist für einfach auch mal schön, nur die Begierde und den Wunsch nach diesem Auto zu haben. Bei einem anderen Auto hatte ich das gerade erlebt, weil es auch ein Traum von mir war: Doge Viper SRT10. Aber da bin ich nach dem Kauf auf dem Boden der Tatsachen gelandet. Man kann sie wegen all der schieren Kraft gar nicht so bewegen, wie man das gerne würde. Darum mach ich mit der Cobra nicht den gleichen Fehler: Ich freu mich die Cobra zu sehen und das Verlangen nach ihr zu haben. Das behalt ich mir einfach und verzichte auf die mögliche Enttäuschung.“

Sagt ja der Volksmund (in der ganzen Welt) schon: „Never meet your heroes!“ Kommen wir nochmal zurück zu Uhren: Wohin soll die Reise mit Junghans gehen?

„Wir haben aktuell unsere wunderbare Nische im mittleren Preissegment gefunden. Dort haben wir einerseits sehr klassische Modelle und auch reizvolle Sportuhren, die die meisten Leute sich leisten können. Ein Beispiel: Ich hatte zum 50. Jubiläum des Oldtimer Grand-Prixs zwei unterschiedliche, auf jeweils 50 Stück limitierte, Sportuhren bei uns bauen lassen. Die gab es nur vor Ort am Nürburgring und waren am Freitagmittag schon komplett ausverkauft. Da kam der Streckenposten, der da seit 25 Jahren bei Wind und Wetter die Fahnen in seiner Freizeit schwenkt genauso zu uns, wie die finanziell besser gestellten Fahrer. Verstehst Du, worauf ich hinaus will? Ganz besondere Uhren, auch teils streng limitierte, die sich aber die Leute einfach noch leisten können und wollen. Wir werden viel unserer Historie wiederbeleben und neu interpretieren. Wie zum Beispiel die Max Bill, die Dir so gut gefällt, das ist ein perfektes Beispiel, die trägt mein Vater auch jeden Tag: Klassisches Bauhaus-Design aus den 60ern, aber jetzt in Titan, mit Titan-Meshband, Zifferblatt in der gleichen Farbe und technisch mit Funk und Solartechnik ausgestattet. Absolut unsichtbar, aber eine bildschöne Uhr, um die man sich ein Leben lang nicht mehr kümmern muss. Durch die Technik geht sie einfach auf die Sekunde genau, bleibt niemals stehen und produziert trotzdem keinen Batteriemüll. Das darf man wohl mal wirklich nachhaltig nennen!“

Ja, die ist großartig, ich geh schon mal zur Kasse! Wahnsinnsuhr zum Mitnahmepreis, ohne dass man sich damit irgendwo blamieren müsste, ganz im Gegenteil. Und cool, dass Dein Vater sie auch trägt.

„Er sieht es wie Du. Das meine ich eben: Herkunft neu interpretieren. Wir sind ja quasi sowas wie Mercedes Benz in der Branche. Wir haben Vieles erfunden, sind schon immer dabei, kaum ein Hersteller auf der Welt kann eine Historie wie wir aufweisen. Du hast ja sicher auch unsere Reparaturabteilung gesehen, was da los ist. Wenn du über 160 Jahre lang Millionen von Uhren verkauft hast, dann kommen die auch nach wie vor zum Service zurück zu dir. Da sehen wir manchmal Uhren, von denen kaum jemand im Haus wusste, dass wir die einmal gebaut haben. Und glaub mir: wir haben Mitarbeiter im Haus, die sich eigens um Sonderfälle kümmern. Neulich haben wir einem Fan der Marke eine Uhr, die es seit Ewigkeiten nicht mehr gibt, aus Ersatzteilen nochmal neu zusammengebaut, weil er nirgendwo mehr eine finden konnte. Wer macht denn sowas noch?“

Das ist allerdings mega! Ich hab vorhin gesehen, dass Ihr auch Zifferblätter und Gehäuse individualisiert auf Kundenwunsch?

„Auf jeden Fall. Wir haben ja alles im Haus, unsere Uhren werden bis auf teils angelieferte Uhrwerke komplett in Schramberg gefertigt, warum sollte man diesen Service dann nicht anbieten? Ich bin ja kein reiner Geschäftsmann, ich bin auch Uhrenfan. Ich verstehe die Leute, wenn sie den Wunsch nach einer besonderen Uhr haben. Und wenn es nur ihre Initialen auf dem Zifferblatt sind. Warum sollte ich das nicht machen, ich versteh es ja!“

Deinen Service- und Kundenbindungsgedanken konnte ich ja gerade live erleben. Als wir ins Museum gehen wollten, stand dort ein Ehepaar vor der verschlossenen Tür (Montags hat Schramberg für die ganze Welt geschlossen). Aber Du hast einfach gesagt, ach, kommen Sie doch mit, wir wollen sowieso gerade rein und hast ihnen eine zweistündige Chefarztbehandlung zukommen lassen. Das vergessen die beiden ihr Leben lang nicht mehr!

„Wirklich, ich meine das total ernst. Wir wollen nicht mehr der größte Hersteller der Welt werden. Das waren wir doch schon. Wir wollen aber vielleicht der glaubwürdigste sein. Der sympathischste. Der greifbarste. Und dafür musst Du als Unternehmen und Mensch eben erstmal glaubwürdig, sympathisch und greifbar sein …“

Kurze Reiseempfehlung für die Menschen in der ganzen Welt, die hier zweifellos mitlesen: Der Terrassenbau im Schramberg muss besichtigt werden. Sowohl architektonisch als auch inhaltlich wurde ich wahrscheinlich noch nie so gut unterhalten in einem Museum. Dort ist nicht nur die Junghans-Geschichte zu sehen, sondern die Entwicklung der Uhren im Schwarzwald allgemein. Mit historischer Uhrmacherwerktstatt und meinem Lifetime-Highlight: den mannshohen Spieluhren, die hinter ihrer Fassade mit echten Geigen und Bögen mechanisch angetrieben Melodien spielen. Davor steht man ehrfürchtig und bekommt selbst jetzt beim Schreiben noch wieder Rührungstränen-Einschuss!

Besuchstipp zwei ist dann Gut Berneck in Schramberg, welches leider erst nach Redaktionsschluss wiedereröffnet wurde. Das war das Privathaus der Familie Junghans seit Achtzehnhundertschnee. Ein gigantischer Bau (schon damals mit Aufzug und zentraler Staubsaugeranlage, an die noch Feuerwehrschläuche angeschlossen wurden). Auf einem Hügel gelegen mit Blick auf alle Fabrikgebäude unten im Ort, so dass der jeweilige Junghans schon nach dem Aufstehen und vor dem Geld zählen sehen konnte, bei wem das Licht am Arbeitsplatz noch nicht brannte. Jetzt jahrelang von den Steims und der Denkmalschutzbehörde aufwendigst renoviert, bald Begegnungsstätte von Uhrenfreunden aus der ganzen Welt. Und man kann auch dort übernachten: in den Original-Zimmern der Firmengründer, große Tresore für Eure Wertsachen sind inklusive im Chefzimmer. Und natürlich gehört die Autosammlung Steim zum Pflichtprogramm eines Besuchs in Schramberg. Und danach fahrt Ihr von Schramberg wieder zurück in die ganze Welt. Ziemlich sicher mit einer neuen Uhr.

TEXT und FOTOS Thomas Senn

LESENSWERT.
WALTER.