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„Das perfekte Auto ist langweilig“. Hyundai Chefdesigner Luc Donckerwolke.

Kaum ein Autokonzern hat sich in den vergangenen Jahren derart entwickelt, wie Hyundai mit seinen drei Marken Hyundai, Kia und Genesis. Chefdesigner Luc Donckerwolke will dem koreanischen Autobauer mehr Historie mitgeben und ist von der Schnelligkeit des eigenen Unternehmens auch nach Jahren noch immer beeindruckt.

Luc Donckerwolke kann in seinen 30 Jahren als Autodesigner auf ein breites Spektrum von Marken zurückblicken. In Peru geboren, war der Belgier nach einem kurzen Abstecher zu Peugeot Anfang der 1990er über ein Jahrzehnt für verschiedenste Marken des Volkswagen Konzerns tätig und gab hier unter anderem Modellen von Audi, Bentley, Skoda und Lamborghini ein Gesicht. Seit Ende 2015 arbeitet Donckerwolke mit einer kurzen Unterbrechung für den koreanischen Konzern und koordiniert mittlerweile als Präsident und Chief Creative Officer der Hyundai Motor Group die Designprozesse von Marken und Modellen. Donckerwolke gilt als leidenschaftlicher Autosammler und spricht nicht zuletzt wegen seines multikulturellen Hintergrunds acht Sprachen.

Als Sie vom Volkswagen Konzern zu Hyundai wechselten – was war der größte Unterschied bei der täglichen Arbeit?

„Ganz ehrlich – ich kannte die Marke Hyundai und ihre aktuellen Modelle natürlich seit langem, doch ich wusste nicht viel über deren Historie und musste mich erst einmal mit allem vertraut machen. Was jedoch direkt auffiel, dass man schneller war, als ich es bisher von meinen Tätigkeiten kannte – sehr viel schneller. Ich war von Hause aus gewöhnt an sehr lange Prozesse. Als ich gewechselt war, habe mir erst einmal alle Modelle ausdrucken lassen und an meine Bürowände gehängt, um mir ein genaues Bild von den Fahrzeugen machen zu können. Das waren 85 verschiedene Modelle – wohlgemerkt ohne entsprechende Derivate. Natürlich gibt es keinen Einzelmarkt, wo alle Fahrzeuge vertreten sind – aber die schiere Menge war für mich doch beeindruckend.“

Bringt eine solche Vielzahl für einen Designer mehr Probleme oder gibt das auch besonders viele Möglichkeiten?

„Beides – aber es ist beispielsweise nicht möglich, ein einheitliches Markengesicht für die Fahrzeuge zu kreieren. Es gibt da keine einhellige Identität wie zum Beispiel bei einem wichtigen Charaktermerkmal wie dem Tagfahrlicht. Ein einheitliches Familiendesign geht bei so etwas einfach nicht mehr. Wenn an einer Ampel in Seoul von zehn Fahrzeugen sieben aus dem gleichen Konzern kommen, dann kann man kein Familiendesign wie mit russischen Matroschkas machen. Daher haben wir uns entschieden, kleine Familien mit einem eigenen Charakter zu kreieren. Das erleichtert auch den kurzen Lebenszyklus, den wir bei Hyundai haben. Am Anfang war ich frustriert, dass man nach dem Designfreeze nicht noch ein paar Monate an Details der Fahrzeuge arbeiten konnte. Doch hier wurde einfach gesagt: „Mach’s doch einfach beim nächsten Modell.“ Nicht immer einfach für einen Designer.“

Wieso ist der Lebenszyklus der koreanischen Modelle kürzer als bei vielen internationalen Wettbewerbern?

„Ganz einfach. In Korea aber auch in den USA will der Kunde immer wieder etwas Neues. Das ist ein Europa oder bei einer Premiummarke etwas anderes und darauf müssen wir uns einstellen. Auch ich mit meinem ehemals europäischen Mindset musste das verstehen. Daher arbeiten wir bei unserer Premiummarke Genesis beispielsweise anders, weil es länger halten soll. Doch bei den Volumenmarken Hyundai und Kia können wir nicht das gleiche Design auf viele Fahrzeuge übertragen, weil so schnell neue Modelle bekommen, dass die Designsprachen zeitlich überlappen würden. Wir machen im Hyundai Konzern die Modellpflegen so früh – da haben wir noch gar keine Rückmeldung aus dem Markt von den Kunden.“

Doch wie ist der Bezug der Koreaner zu der Historie von einzelnen Modellen?

„Daran arbeiten wir gerade. Nehmen Sie beispielsweise den Hyundai Pony, der vor 50 Jahren von Giorgetto Giugiaro kreiert wurden und nunmehr von uns neu wieder aufgelegt wurde. Der Pony war nicht nur das erste echte Fahrzeug bei Hyundai, sondern viel mehr als das. Der Pony war mit seinem ganz eigenen Charakter der Anfang der Automobilkultur in Korea. Noch heute erinnern sich einige daran, wie der Pony damals entstanden ist. Hyundai hatte seinerzeit mehrere Ingenieure nach Italien geschickt, die zusammen mit Giugiaro an den Modellen gearbeitet haben. Hyundai muss sich der eigenen Historie mehr bewusst sein, denn darauf kann man sehr stolz sein. Doch die Historie spielt in Korea nicht die Rolle wie in anderen Regionen der Welt. Hier fährt kaum jemand einen Oldtimer oder trägt eine patinierte Vintage-Lederjacke – das kommt langsam erst auf.“

Die verschiedenen Marken des Hyundai Konzerns waren in den vergangenen Jahren sehr erfolgreich. Wohin soll es mit den Marken, den Modellen und insbesondere dem Design in den kommenden Jahren gehen?

„Gerade die Marke Hyundai muss deutlich emotionaler werden. In Korea oder den USA fehlt uns die Identifikation, die Sympathie auf der Straße. Speziell in den USA kennt man Hyundai nicht für seine Historie und die Marke steht auch nicht für seine Geschichte. Hyundai muss hier einfach mehr Identität und Substanz zu bekommen. Einst hat man über die Marke Hyundai Witze gemacht. Zumindest das ist mittlerweile vorbei. Gerade wegen dieser Historie, auf die man stolz sein kann, haben wir nunmehr die Studie des Pony Coupé wieder aufleben lassen. Die Koreaner sind sehr bescheiden und schauen nach vorn. Niemand ruht sich auf seinen Lorbeeren aus.“

Wie kann man sich das Hyundai Markendesign der kommenden Jahre unter diesen Gesichtspunkten dann vorstellen?

„Ein großes Thema ist Arroganz. Wir wollen mit unseren Modellen nicht arrogant sein oder meinen, dass wir unser Design den Kunden aufdrängen. Das sieht man zum Beispiel bei Hyundai Ioniq 5 oder 6. Dort haben wir beispielsweise kein Hyundai-Logo mehr auf dem Lenkrad, weil der Fahrer ja weiß, in welchem Auto er sitzt und es nicht zigmal am Tag neu sehen muss. Das ist ja beinahe wie eine erzwungene Hirnwäsche.“

Die Autoindustrie ist im Umbruch – nicht nur durch die Elektromobilität. Sie muss schneller und deutlich effizienter werden. Wie wirkt sich das auf das Design?

„Wir sind bei Hyundai schneller, als ich es vormals je erlebt habe. Die schnelle Arbeit und die schnellen Prozesse haben nicht nur betriebswirtschaftliche Vorteile, sondern sind auch gut für das Design. Es wird im Laufe des Prozesses nicht verwässert und der Kern bleibt erhalten. Was bei uns abgesegnet ist, ist fertig und damit auch endgültig. So ist man deutlich näher an der Ursprungsidee und das Auto wird nicht so klinisch. Um schnell zu sein, muss man digital arbeiten. Wir haben dies erstmals komplett bei unserem Tucson gemacht und waren letztlich sechs Monate schneller mit dem Designfreeze fertig als wir es geplant hatten. Durch die schnelle digitale Arbeit gibt es letztlich deutlich mehr Zeit für die wichtigen Details. Der Tucson wirkt beispielsweise sehr männlich und aggressiv – sehr nah an unserem Ursprungsdesign. Und das stammt übrigens von einer Frau. Das Auto muss nicht mir als Designer gefallen – das perfekte Fahrzeug wäre langweilig. Man muss sich an etwas stören können. Das ist wichtiger denn je.“

Das Interview führte Wolfgang Hörner.

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WALTER.