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Elektro. Verbrenner. Wasserstoff. Wer ist hier der Geisterfahrer?

Kennt Ihr den alten Witz von dem Typen, der auf der Autobahn den Verkehrsfunk hört und der Sprecher warnt: „Vorsicht, auf der A soundso kommt ihnen ein Geisterfahrer entgegen.“ und der Typ ruft: „Einer? Tausende!“ Willkommen in meiner Welt.

Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich frage mich manchmal, in welcher Richtung ich unterwegs bin. Ich behaupte mal, keiner von uns will die Welt zu einem dauerhaften Burning-Man-Festival machen, wo du abwechselnd in der Wüste brätst, oder im Schlamm versinkst. Die Frage ist, was ist der richtige Weg? Letztens hatte ich einen Termin bei Toyota-Verwaltungsratschef Akio Toyoda und seitdem bin ich ganz durch den Wind.

Ich glaube fest daran, dass das Automobil eine grandiose Erfindung ist, aber manchmal fühlst du dich mit diesem Glauben in der Bundesrepublik ziemlich allein. Und da steht dieser japanische Strahlemann vor dir und sagt: „Ich liebe Autos!“ und das sagt er unverblümt in aller Öffentlichkeit. 

Ich denke, dass trotz aller gegenteiligen Behauptungen, die E-Auto-Industrie immer noch in den Kinderschuhen steckt und man deshalb den Verbrennungsmotor nicht Hals über Kopf abschaffen sollte, sondern zügig besser, sauberer und sparsamer machen, bis andere Technologien soweit sind. Und da sitzt dieses Energiebündel Toyoda vor mir und spricht mit fester Stimme: „Ich glaube fest an eine Zukunft des Verbrennungsmotors. Wenn ich mir all die Stimmen aus der Politik anhöre, dann geht es immer um die Zukunft. Wir arbeiten daran, was man jetzt tun kann.“ 

Aki Toyoda

So was müsste man mal vom VDA hören. Bei der IAA traute sich BMW-Chef Oliver Zipse als einziger aus der Deckung, wenn er den eklatanten Mangel an Ladesäulen bemängelt. 

Sowohl die ZDF-Heute-Sendung, als auch die Tagesschau begannen ihren Beitrag zur IAA-Eröffnung mit der nicht mehr ganz tagesaktuellen Erkenntnis, dass es nie mehr Autos in Deutschland gab als in diesem Januar. Auch wenn irgendwo im Kleingedruckten eingeräumt wird, dass sich der Zuwachs eher auf dem Land abspielt und weniger Ausdruck teutonischer PS-Geilheit als ein Indiz für den mies aufgestellten ÖPNV ist, regt sich reflexartig ein schlechtes Gewissen. Akio Toyoda sagt: „Ich glaube, es gibt eine große, schweigende Mehrheit, die sich gerade nicht traut, offen zu sprechen. Ich höre viele Meinungen aus der Politik, ich vermisse, dass man auch auf die Verbraucher hört.“ Das geht so gut runter, dass du dich fragst: Ist der Mann nur ein Rattenfänger oder ein Konfuzius der Automobilwirtschaft?

Du guckst im Fernsehen eine Reportage mit dem Titel „Car Porn“, siehst die üblichen klischeemäßigen Poser und Blender, hörst ihre, wenn zuweilen auch legalen, aber trotzdem verbotenen Riesenauspuffrohre und schämst dich fremd. Akio Toyoda schwärmt vom Sound, „den du auf Rallyeprüfungen schon viele Sekunden hörst, bevor du das Auto siehst.“ Ist der Mann wahnsinnig, so was laut auszusprechen?

Akio Toyoda vs. Herbert Diess

Bevor der geschiedene VW-Chef Herbert Diess begann, den Volkswagen-Konzern Richtung Klippe zu schieben, riss er mit Schwung die Motorsportabteilung in den Abgrund. Nicht mehr zeitgemäß, also überflüssig. Akio Toyoda steht in Jyväskylä bei der Rallye Finnland und raunt verschwörerisch: „Ich bin hier quasi der oberste Cheerleader“, und betont in offiziellem Verwaltungsrats-Sprech: „Ich glaube, Motorsport ist immer noch ein wichtiges Marketing-Instrument.“ 

Das zweifeln zur Zeit selbst einige an, die in der Rallye-WM noch prima in Lohn und Brot stehen. Publikum zu alt, YouTube-Zahlen zu schlecht, zu teuer, zu wenig Hersteller und überhaupt: Früher war mehr Lametta. Toyota hat gerade den Bau eines großen Entwicklungszentrums in der Provinz Mittelfinnland angekündigt. „Das können Sie ruhig als Statement für unser langfristiges Engagement im Rallyesport betrachten“, sagt Toyoda fröhlich.

In einer Welt, in der Energie und vor allem Sprit immer teurer wird, in der Krisen und Inflation das Geld auffressen, bräuchten gerade die so oft zitierten, kleinen Leute auf dem Land kleine und bezahlbare Autos. Ford stellt den Kleinwagen Fiesta ein, andere Hersteller folgen. Selbst die Chinesen versuchen die Elektro-Welt eher mit großem Gerät aufzurollen. Habe ich was nicht kapiert? Toyota stellt unbeirrt weiter Kleinwagen her. 

Auf der IAA zeigten die großen Nachrichtensendungen vor allem den großen Stand der Chinesen von BYD, um zu zeigen, dass sich die deutsche Autonationalmannschaft mittlerweile auch bei Heimspielen an die Wand drücken lässt. Akio Toyoda will zu den Chinesen nicht sagen, das Thema fällt eher in die Belange des neuen Präsidenten Koji Sato, aber auf den alten Feind auf dem asiatischen Festland angesprochen, wirkt er alles andere als furchtsam.

Toyota bleibt offen für alles

Die deutschen Leitmedien haben gerade erst den Wasserstoff als möglichen Antrieb mal wieder beerdigt. Akio Toyoda sagt: „Ach, die Medien lieben es, diese Verteilungskämpfe anzuheizen.“ Er glaubt, dass versendet sich: „Wir arbeiten einfach weiter.“ Wenn du schon die FDP gut finden musst, weil sie in Brüssel den Aufstand geprobt und Technologieoffenheit gefordert haben, weißt du, wie tief du gesunken bist. Politik und allgemeine Medien betonen gebetsmühlenartig, selbst die Industrie wolle die Elektrifizierung und nichts als die Elektrifizierung. Akio Toyoda sagt: „Ich halte das für einen Fehler.“ Ist der blind, oder sieht der was, was andere nicht sehen?

Der Mann ist wie eine Therapie. Ich hatte schon damals im Sportstudium erhebliche Mühe mit Techniken wie Autosuggestion und Positivem Denken, wie die meisten Träumer sehe ich mich als Realisten. Kämen all die Wohlfühlsprüche von einem Zylinderkopf-Friseur aus der Berliner Gropiusstadt, würde ich abwinken. Aber sie kommen von dem Mann, der den Hybridantrieb etablierte, als die hiesige Industrie von Lithium, Kobalt und Nickel noch allergische Pickel bekam. Der Typ ist auch kein Spinner, der vom Geschäft keine Ahnung hat. Toyoda führte seinen Konzern durch zwei Absatzkrisen. Er hinterließ seinem Nachfolger Sato den nach wie vor größten Automobilhersteller der Welt.

Ich gebe zu, den Gag von Piratenkapitän Olaf Scholz bei der IAA-Eröffnung fand ich ganz gelungen: „Manche Strecken sollte man besser mit dem Auto fahren“, sagte der Kanzler nach seinem Jogging-Unfall, natürlich auch, um sich in München der Autogemeinde anzubiedern. Die gibt ein trauriges Bild ab. Eine völlig zerfaserte Veranstaltung, bei der viele Hersteller fehlten, und diejenigen, die da waren, trauten sich zum Teil nicht, Autos auszustellen. Man verkauft hinten rum weiter dicke SUVs mit dicker Marge und gibt sich vorn im Showroom als „Mobilitätskonzern.“ Was mich ein bisschen hoffnungsvoll stimmte, waren die Bilder in der Tagesschau, wo unser Regierungschef einem kleinen Mann mit großem Lächeln die Hand schüttelt. Es war Akio Toyoda.

TEXT Markus Stier

Diese und weitere starke Meinungen gibt es in WALTER #18

WALTER 18 Cover edited
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