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Hausbesuch bei Alpine.

Es ist schon sehr auffällig: Die Alpine A110 ist irgendwie der Liebling der Redaktion. Also: auf in die Normandie an die Atlantikküste und mal genau geguckt, was hinter Alpine steckt. Und was da noch so kommt. Und wie viel Champagner ein Mensch trinken kann. Am Meer. Was kann ein einzelner Redakteur ertragen, mag ich Euch zurufen!

Jeder, der mal was mit Motorsport zu tun hatte und alt genug ist, Louis de Funès noch zu kennen, liebt die Alpine A110. Die alte, die neue, egal. Und auch bei Alpine weiß man das: Ein Großteil der aktuellen Kunden sind eben diese Leute. Vorzugsweise aus Frankreich (klar), aber auch viele aus Deutschland. Und wenn man in der Redaktion rumfragt, wer sich vorstellen könnte, sich eine neue Alpine zuzulegen, gehen die Hände nach oben wie sonst nur bei Schampus-Date-Angeboten mit Laetitia Casta. Letztere sind aber selten. Sehr selten. Also genau genommen im Bereich unter null.

Warum fasziniert dieses Auto so? Auf jeden Fall kommt hier ein bisschen das Kindchenschema zum Tragen. Die vier Augen sind es, die einen in den Bann ziehen. Man erkennt das Auto sofort und will ihm zurückzuzwinkern. Und dann natürlich der Name. Wer weiß denn bitte nicht, was er sich unter A110 vorzustellen hat? Man muss nicht das Handy zücken und gucken, was das sein könnte. Jeder von uns hat doch bei vielen anderen Modellen längst die Übersicht verloren, was das genau sein soll oder wie es aussieht. Eine Alpine A110 erkennste. Wobei. Es wird komplizierter.

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Der Erstling, die A110 ist weiter im Programm und sieht aus wie immer. Die meisten davon waren eh im klassischen Alpine-Blau, was der Wiedererkennung sehr hilft. Aber jetzt wird’s schwieriger, weil es nun drei A110 gibt. A110, A110 GT und A110 S, letztere noch mit und ohne Aero-Paket. Bevor wir das jetzt lange googeln oder Pressemeldungen aus den Postfächern raussuchen: ab nach Frankreich und es live angucken. Ja klar, man muss dafür ein paar Tage auf den Hamburger Regen verzichten und an den Atlantik nach Dieppe reisen, mittags und abends bei Champagner und französischer Küche auf Sonnenterrassen aufs Meer blicken, aber die Testfahrten lassen wir als Entschädigung für diese Pein gelten. 

Notiert Euch schon mal: Werksabholung ist geradezu Pflicht, wenn Ihr nach dem Bericht Eure Alpine bestellt habt. Und an Letzterem kann gar kein Zweifel bestehen. 

1.200 kg! Zwölfhundert!

Aber welche? Jedes Modell hat Heckantrieb (was denn sonst?), ein Getrag-Automatikgetriebe mit Doppelkupplung und Schaltwippen (eigentlich schade, dass es keine Wahl gibt, die Mittelkonsole ruft förmlich nach einem Quickshift-Hebel), Mittelmotor, zwei Köfferchenräumchen vorn und hinten mit Raum für 96 und 100 Liter Champagner. Prunkstück ist aber die wundervolle Alu-Karosserie. 290 Kilo bringt sie auf die Briefwaage, Hauben, Deckel, Türen, alles Alu. Damit ist die Alpine eigentlich schon zu Ende beschrieben, den Rest kann man sich denken. Leicht, flink, agil, sportlich, wendig: alles formidable Attribute, die auf die anderen dicken Mops-Kinder im Neuwagen-Bällebad eher selten zutreffen. Die klassische A110 ist seit Verkaufsstart 2017 quasi unverändert: 252 PS aus einer 1,8-Liter-4-Zylinder-Turbo-Magnumflasche. Dank eines Gewichtes von unter 1.200 Kilo (sprecht es mal laut aus: UNTER ZWÖLFHUNDERT KILO bei einem aktuellen Auto) rennt die Kleine schon in 4,5 Sekunden auf 100 und wird bei 250 km/h abgeriegelt.

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Nächste Stufe und jüngster Spross ist die A110 GT. Gleiche Attribute und gleicher Komfort wie das Basismodell, aber mit den 300 PS aus der Alpine A110 S. Letztere hat ebenfalls 300 PS, aber eine verstärkte Karosse und die wahrscheinlich bequemsten Schalensitze, die man für französische Franc bekommen kann. Bei meiner Testrunde von schöner Meer-Kulisse nach noch schönerer Meer-Kulisse bis hin zur allerschönsten Meer-Kulisse musste man ja auch mal wieder zurück. Auf fast 400 Kilometern hab ich mich nicht einmal im Sitz bewegt. Nix. Keine Beschwerden. Bei 1,87m und 90 Kilo führt die Route in einem solchen Sportwägelchen mit (nur per Werkzeug) verstellbaren Schalensitzen sonst eher direkt vor die Notaufnahme der Physiopraxis.

Neu für die A110S: das Aerokit. Mit Frontlippe und Heckflügel kommen so vorne und hinten ordentlich Anpressdruck dazu, was Alpine bewogen hat, den erlaubten Topspeed auf 275 km/h anzuheben. Ich persönlich mag es aus optischen Gründen nicht so. Wenn, wie bei einem der Testwagen, noch das schwarze Carbondach in Verbindung mit Feuerorange und eben dem Flügel dazu kommt, wird man auf Parkplätzen schnell von der Nissan-Z-Fraktion adoptiert. Testwagen zwei war dann klassisch blau, auch ein S, aber eben ohne den ganzen Kram. Das schmeichelt meinen 70er-Jahre-Kinderaugen mehr. Aber klar: dann ist nix mehr mit 275.

Aber das ist ja gar nicht das Metier der Flunder. Mit einer Breite von 1,79 Metern und einer Höhe von 1,25 Metern (darf man Höhe sagen bei 1,25, muss es nicht eher Niedre heißen?) gehört das Auto auf Landstraßen und solche, die noch welche werden wollen. Leicht, flach, 300 PS. Jeder kann sich vorstellen, wie es damit um die Ecken geht. Schneller als man sich traut, das ist sicher. Aber trotzdem ist der Winzling hundsbequem. Auch große Menschen passen rein, nur mitnehmen sollte man nicht viel. Ein Däschelsche zwischen den Sitzen, eine Ablage in der Mittelkonsole für zwei 0,5er Champagner-Flaschen, kein Handschuhfach (die Handschuhe werden in so einem Auto getragen!), keine Türablagen, wo man in drei Monaten ein geschmolzenes Milky Way wiederfinden könnte. Ich mag’s.

Mit Elektro wird es dann schwerer. Leider.

Aber wie geht es mit Alpine weiter? Darf man so ein Auto mit elfzehn Tonnen Batteriegewürge ad absurdum führen? Geplant ist es, ich glaub aber nicht daran. Wo soll das alles hin in diesem kleinen Auto? Es wird absurd groß werden müssen. Und idiotenschwer. Dann ist nix mehr mit agil und unter 1.200 Kilo. Dann würde die Alpine E110 fett wie ein Rettich und somit obsolet. Hoffen wir also auf E-Fuels und den Fortbestand der Legende. Bis 2025 wird sie auf jeden Fall erstmal so weitergebaut, wie uns Alpine-Chef Laurent Rossi verriet. Und vielleicht auch noch länger. Er wäre dafür! Kürzlich ist man zu diesem Thema eine Partnerschaft mit Lotus eingegangen, die bei ihren ähnlich gelagerten Autos ja vor den gleichen Adipositas-Problemen stehen.

Aktuell verlassen 18 A110 am Tag das Werk in Dieppe. Besonders beliebt sind die zahlreichen Sondermodelle: sowohl die kürzlich vorgestellten limitierten Varianten „GT J. Rédélé“ (zu Ehren des Firmengründers Jean Rédélé) als auch die „Tour de Corse 75 Limited Edition“ in gelb/weiß/schwarz waren innerhalb weniger Minuten (Rédélé) und weniger Stunden (Tour de Corse) ausverkauft.

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Wer kein Sondermodell ergattern konnte, kann immer noch auf das „Atelier Alpine“ setzen. 22 Traditionsfarben stehen zur Verfügung, jede auf 110 Autos limitiert. Macht wirklich Spaß, wenn man durch das Werk spaziert und den ganzen Farbkasten an den einzelnen Stationen der Handarbeiter erlebt. Teils mit drei Personen werden an den farbenfröhlichen Autos immer und immer wieder die Spaltmaße überprüft und gegebenenfalls von Hand korrigiert. Ja, es gibt schon Hightech-Roboter, die die einzelnen Alubauteile präzise miteinander vernieten.

Aber so wirklich zählt doch der letzte Handstreich in der Abteilung mit dem wundervollen Namen „Contrôle Satisfaction Client Alpine“ am Ende des Handarbeitsparcours. Die letzte Station, bevor jeder Wagen auf einer Ministrecke vor dem Werk auf Grundfunktionen und Knarzen getestet wird (da knarzt nix, auch nicht bei zu schnellen Kurven auf zu schlechten Straßen, ich kann es jetzt beschwören). Und danach die beste Teststrecke: Sieben Kilometer mitten durch den Ort Dieppe. Zwischen Sch’tis und Touris, zwischen Wohnmobilen und gut angefahrenen Renault irgendwassen, zwischen Gauloises und Champagner. Ein herrliches Straßenbild wie aus einem Videospiel.

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Aber nur mit einer A110 kannst du natürlich als Hersteller auf Dauer nicht überleben. Und schon gar kein Formel 1-Team unterhalten. Noch macht Alpine Miese in großen Gebinden. Aber das ist Teil des Plans und auch Mutter Renault bewusst. „Aktuell sind wir natürlich noch nicht in allen Ländern der Welt vertreten mit der A110. Es ergibt ja auch keinen Sinn, fünf 110er in ein winziges fernes Land zu schicken und dann dort den Service gewährleisten zu müssen. Aber es ergibt durchaus Sinn, 5000 SUVs dorthin zu schicken und 5 Alpine A110 dazu“, so der gechillte und wirklich lichterloh brennende Alpine-Chef Laurent Rossi beim Gänsestopfleber-Mittagessen mit Champagner-Aperitif in einem kleinen Gutshof nahe der Entwicklungsabteilung in Les Ulis.

Alpine Crossover also. Eine A110 mit hohen Hacken und hohem Dach und vielen Türen. Und Batterien. Ganz sicher. Da bei Alpine sehr viele Enthusiasten arbeiten, kann man hoffen, dass der Crossover nicht hässlich wie die Nacht wird. 

Worauf man sich aber freuen kann und muss und wird: eine weitere Legende aus dem Hause Alpine. Der Name steht noch nicht fest, aber es wird ein „Hot Hatchback“ auf Basis des neuen R5. „R5 Alpine“ muss das Ding heißen, aktuell lautet der Entwicklungsname Alpine B. Ich hatte selbst einen R5 Alpine Anfang der 80er und hab das kleine Biest geliebt. Das Auto wird sich verkaufen wie dumm. Ich heb schon mal die Hand! Und leg einen Schampus kalt für die Übergabe.

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Wie viel Leidenschaft in Hause Alpine vorherrscht konnte man am besten erkennen, wenn man Chef Rossi zuhört, wenn er wie ein kleiner Junge über das Formel-1-Team ins Schwärmen gerät. Historie ist im Haus reichlich vorhanden, Renault ist seit 45 Jahren ohne Unterbrechungen in der Formel 1. Nur dass es jetzt Alpine heißt und der Alpine-Chef mit Herz und Cap und Fanfahne dahintersteht. Und natürlich einem Plan. Es wird weiter nach oben gehen, es werden weitere Teams mit Alpine-Motoren fahren. Spätestens ab 2024.

Und weil er so stolz auf alles ist (aber auch kritisch, manche Fehler der letzten Wochen will er ganz sicher nie wieder sehen, sein Wortlaut: „Es war nicht alles immer Pech!“) zeigt er uns auch noch das Allerheiligste: die Fabrik, in der die Motoren und Elektroeinheiten entwickelt, zusammengebaut, getestet und revidiert werden. Das Formel-1-Team ist an zwei Standorten zu Hause: im englischen Enstone arbeiten 700 Personen an Chassis und Aerodynamik, im französischen Viry-Chatillon sind 500 Personen für den Drivetrain zuständig. Die schiere Menschenmenge dürfte übrigens alleine erklären, warum man mit 18 Alpine A110 am Tag kein Formel-1-Team finanzieren kann. 

Bleibt die schwierige Entscheidung: Welche Farbe für Eure Alpine? Ich kann Euch einen Tipp geben, weil ich es im Werk live gesehen habe: Vanillegelb! Das ist ein Traum. Das macht das Auto nochmal klassischer. Und ob das dann ein S oder GT oder ganz normaler ist: Mir wär’s wurscht. Hört Ihr das, Alpine Deutschland? Vanillegelb, der Rest ist mir gleich. Ich würd den Tiefgaragenplatz auch mit Schampus auswischen. Soll sich ja daheim fühlen nach der Werksabholung am Meer.

TEXT Thomas Senn 
FOTOS Thibaud Chevalier

LESENSWERT.
WALTER.