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Horden im Norden. Roadtrip Lofoten.

Im Winter auf die Malediven? Das ist so was von Neunziger. Wer cool ist, fährt auf die Lofoten. Und das nicht, um die grandiose Landschaft in dickgefütterter North-Face-Jacke vom Sonnendeck des Hurtigruten-Dampfers durch die synthetische Polarfuchskapuze zu betrachten – wir kamen mit Autos.

Wir hätten die Zeichen erkennen können. Kann sein, dass Odin und die Asen, diese Bande von Met-verklebten Flechtbärten im nordischen Götterhimmel uns schon auf dem Radar hatte, als die Kolonne in Hamburg auf die Fähre rollte, aber vielleicht haben sie uns da noch nicht so richtig ernst genommen.

Freya schickte Regen, aber Thor keinen Sturm. Aber als in Kristiansand die durchgegossene Nacht einem durchweichten Tag wich, schien uns das doch ein bisschen viel Wasser nur für ein himmlisches Feuerschutzprogramm, selbst wenn die Hafenstadt am Skagerrak in anderthalb Jahrhunderten viermal abgebrannt ist. Und hatte vielleicht Loki, der göttliche Gauner schon auf der Anfahrt durchs Reich der Dänen seine Finger im Spiel, als plötzlich in der Reifenwerkstatt der Felgenschlüssel für Arnes Elfer unauffindbar war? Aber spätestens da hätten die Götter unsere wilde Entschlossenheit ahnen können. Arne opferte ohne Zucken zwei bildschöne Fuchs-Felgen, auch ohne Thors Hammer waren die störrischen Radmuttern ruckzuck runtergekloppt und der 1980er 911 SC mit benagelten Sohlen gespickt.

Gemütlich kann ja jeder

Klar, wir hätten nagelneue Range Rover mit Ohrläppchenheizung, vergoldeten Elchrammbügeln und Rentierfellsesseln mit vierstufigem Massageprogramm nehmen können, aber Roald Amundsen hat ja auch nicht auf die Erfindung des Motorschlittens mit beheizten Griffen gewartet, bis es kommod genug war, den Südpol zu erreichen. Schlittenhunde allerdings vertragen Streusalz nicht sehr gut, also wählte Veranstalter Peter Göbel eine Kompromisslösung: Es dürften schon Autos sein, aber keine zeitgenössischen. Wir waren 16, verteilt auf fünf Porsches, der jüngste Baujahr 96, zwei Dreier-BMW der Baureihe E36 und unsere Schönste und Rangälteste, eine Fulvia aus dem Jahr 1976.

Roadtrip Lofoten 2

„Mach doch noch mal einen Aufguss“, sagt Arne, was man Insassen im über 40 Jahre alten 911-G-Modell nicht zweimal sagen muss. Zack, den Drehschalter rumgerissen, durchstößt sengende Hitze das Cockpit wie Surts Flammenschwert. Das hältst du ohne die Hitzekacheln eines Space Shuttles aber nur drei Minuten aus. Dann schaltest du den Ofen ab, und tief unten im Fußraum leckt der böse Fenriswolf wieder mit kalter Zunge an deinen Füßen. Grüße an Loki: Dass du den nagelneuen Wärmetauscher der Heizung mit Altöl eingerieben hast, so dass es vier Tage lang wie in einer Chemiefabrik stank, hat uns ebenso wenig den Spaß versaut wie der Bypass in der Lüftung, der, egal wie du die Schieberegler zurechtgeschubst hast, immer klamme Kaltluft um die Beine wehen ließ.

Norwegen ist einfach zu schön für schlechte Laune. Manchmal hügelig, niedlich wie die Schweizer Voralpen, am nächsten Tag nackt und wild wie das schottische Hochland – und je weiter du nach oben kommst, rau und erhaben, mit seinen monströs nackten Felsen, die zuweilen so gewaltig im Weg stehen, dass ein Heer von Zwergen unzählige Schächte hindurchgeschlagen hat, damit überhaupt eine Straße in den hohen Norden führen kann. Wer die Schweizer für große Tunnelbauer hält, muss nach Norwegen fahren. Ein halbes Dutzend Mal haben wir Fjorde abgekürzt, ohne dass Meeresgott Njörd irgendwas mitbekommen hat. Wir sind unter dem Meer hindurchgefahren.

Roadtrip Lofoten

Keine Ahnung, ob es auch die Götter waren, die Banditen nach Haugsvær schickten, um uns aufzuhalten. Vermutlich sehen wir schon Gespenster, schließlich sind wir im Reich der Wikinger, hier sind selbst Krankenschwestern und Sozialarbeiter stolz auf ihre brandschatzenden, räuberischen Ahnen. Der Typ wollte vier von uns abkassieren, von Gruppenführer Göbel forderte er 540 Euro. Er behauptete dreist, er wäre Polizist und wir wären zwölf km/h zu schnell gewesen. Wir reden von Tempo 72 auf einer breiten, menschenleeren Bundesstraße.

Ein findiger Rallye-Co-Pilot wie der viermalige deutsche Meister hat selbstredend das Reglement gut gelesen und entlarvte den kostümierten Gangster. „Kann nicht sein“, sprach Göbel und zitierte den Bußgeldkatalog. Kann doch, sagte der Typ in Uniform und verwies auf eine frische Gesetzesänderung seit diesem Februar. Wir haben das Spiel mitgespielt und uns getrollt. Göbel hat bis heute nicht gezahlt, was zählte war, dass wir trotz dieses zeitraubenden Possenspiels die nächste Fähre kriegen.

Roadtrip Lofoten 3

Die eingestreuten Schiffspassagen geben langen Reisetagen einen schönen Rhythmus. Im Schnitt zweimal am Tag parkten wir die Boliden für ein halbes Stündchen auf stählernem Deck, genossen den Blick auf Berge und Meer, vertraten uns mit heißem Kaffee oder Tee die Beine und erfreuten uns daran, dass wir faul herumlungernd doch wie mit Siebenmeilenstiefeln voranmarschierten.

Abkürzung mit dem Schiff

Stell dir vor, du bist Gynäkologe in Ytre Oppedal, und in Lavik, das du vom Anleger in nicht mal acht Kilometern Luftlinie nördlich sehen kannst, ist am Morgen eine Fruchtblase geplatzt. Stell dir vor, es tobt ein starker Sturm, die Fähre fährt nicht, und kein Flugzeug oder Helikopter kann starten. Du kannst gleich drüben anrufen, der Gebärenden viel Glück wünschen und wieder ins Bett gehen, über Land wirst du’s kaum rechtzeitig schaffen. Der Sognefjord ist der längste Meeresarm des Landes und der zweittiefste der Welt. 205 Kilometer weit ragt er ins Festland, am Ende verästelt er sich in sieben weitere Fjorde. Ohne jede Wasserüberquerung stünden beim Geburtshelfer am Ende des Tages knapp 600 Landstraßen-Kilometer auf dem Tacho. Der Landarzt wäre knapp zehn Stunden unterwegs – ohne Pinkelpausen. Wir brauchten gute 20 Minuten.

Roadtrip Lofoten 4

Kein Land der Erde hat eine so angenagte, zerfetzte, in Stücke gehackte Küste wie Norwegen. Die sich von der letzten Eiszeit zurückziehenden Gletscher haben Skandinavien geschändet, geschliffen und gespalten wie einst die Nordmänner englische Klöster. Von Kristiansand hinauf zum Nordkap ist Norwegen mit etwa 2000 Kilometern doppelt so lang wie Deutschland, ein Marsch entlang der kompletten Küstenlinie würde dagegen 29.000 Kilometer umfassen, und dabei sind die Inseln noch nicht mitgezählt.

Aus Notwehr schufen die Nordmänner die, laut der englischen Zeitung Guardian, schönste Straße der Welt. Der Atlanterhavsveien war vor 100 Jahren als Abkürzung zwischen der, wegen ihrer tückischen Strömungen berüchtigten, Gegend zwischen Molde und Kristiansund als Eisenbahnstrecke angedacht – dann wurde umgeplant und 1989 fertig asphaltiert. Die nur rund acht Kilometer lange Strecke, welche sich mit Dämmen und fünf Brücken über 14 Inseln hangelt, sollte ursprünglich 15 Jahre lang mautpflichtig sein, um die Kosten von 122 Millionen Kronen wieder reinzuholen. Doch die Straße, über die du wie springende Kiesel übers Wasser hüpfst, war sofort so populär, dass die Maut nach zehn Jahren wieder abgeschafft wurde.

Roadtrip Lofoten 5

Wir mussten Kompromisse machen. Die Götter baten jenseits der Ostgrenze Asgards um Amtshilfe und hetzten Väterchen Frost auf uns, und der schickte noch mehr Eis und Schnee. Da hätte es am Wegesrand des fünften Tages auf einsamster Panoramapiste dieses wunderbare Café am Meer gegeben, dessen liebreizende Besitzerin eigens für uns geöffnet hätte. Beim Blick auf Schaumkrönchen und Wattewölkchen hätte sie Kännchen frisch gebrühter Arabica-Böhnchen und ein frisches Kuchenbuffet gezaubert, zumindest klang das seit Monaten so in den zunehmend ausgeschmückten Erzählungen der Reiseleitung. Wie gestern auf der Atlantikstraße wären wir behände über kleine Brückchen von Fels zu Fels gehopst, mit locker eingestreuten Plauschpäuschen auf drei niedlichen Fährschiffchen, die uns dem Sonnenuntergang in Sandnessjøen nähergebracht hätten, wo wir im Scandic Havet trotz weicher Sessel stehend angestoßen hätten, nur um den anderen Hotelgästen vorzuführen, mit welch breitem Strahl uns die Sonne aus dem Allerwertesten scheint.

Aber aufmerksamen Lesern ist schon zu Beginn des letzten Absatzes der verräterische Konjunktiv aufgefallen, der trotz jener schwärmerischen 900 Zeichen ein untrüglicher Vorbote für schlechte Nachrichten ist. Man hätte sich durchaus neuneinhalb Autostunden am Meer entlang vergnügen können, wenn sich bei der Überquerung des Trondheimfjords das stahlgraue Wasser vom mausgrauen Himmel unterscheiden ließe. Zudem ist eh alles graue Theorie; weil Wochenende war, gab es keinen Räumdienst. Auf den alten Schnee hat es frisch geregnet, und die überfrierende Nässe sorgt für spiegelglatte Pisten.

Dem Carrera 4 zieht es das Heck weg

Offensichtlich nahm man uns jetzt ernst, und unsere mächtigen Feinde erkannten, dass die zwei dicken weißen Zierlinien, die dem Porsche von Maren und Peter schnell den niedlichen Spitznamen Streifenhörnchen einbrachten, in Wahrheit Kriegsbemalung sind. Wie ist sonst zu erklären, dass es unserem Jüngsten im Feld, dem erst 28 Jahre alten 993 Carrera 4, nach einer kaum nennenswerten Kurve trotz Allradantrieb plötzlich den Hintern wegzog und ihn in einen Graben plumpsen ließ, so tief, dass man dort auch einen Wikinger-Häuptling mitsamt Langschiff hätte bestatten können. 

Aber jetzt bekamen die bösen Asen eine Ahnung davon, mit wem sie es zu tun haben. Erstens sprang zwei Kilometer die Straße rauf Jan-Ove, mit Jogging-Hose und Socken, nach dem Klopfen an der Tür umgehend in Arbeitskluft und Stiefel und eilte mit Trecker samt Seilwinde zu Hilfe. Zweitens haben sich die Wahnsinnigen aus Walhalla mit Max das falsche Opfer ausgesucht. Der Mann aus Recklinghausen ist so cool, der ging ein paar Tage später auf den Lofoten schwimmen, um sich aufzuwärmen. Max ist offenbar Wiederholungstäter. Er zog seelenruhig ein gepolstertes Abschleppseil aus dem Kofferraum. Eben noch schien die Reise zu Ende, kaum hatte Jan-Ove den Hebel umgelegt, stand der himmelblaue Elfer wieder auf der Piste und siehe da, außer ein bisschen Plastik am Unterboden, das beim Einlenken jenseits von 240 Sachen vielleicht einen Hauch Abtrieb auf der Hinterachse kostet, war nichts passiert.

Roadtrip Lofoten 6

An Tag sieben steckten die Waffeln bombenfest im Waffeleisen, offensichtlich fehlte es an Schmierung. Die ganze Nacht hatte der Sturmwind durch die Badezimmerlüftung gepfiffen, und wir begannen, die Götter zu belächeln. Diese Sabotageversuche hatten jetzt schon ein bisschen was Verzweifeltes, ähnlich wie zuvor in der legendären Altstadt von Bergen, die in alten Hansezeiten mal Tyskebryggen hieß, was „deutscher Kai“ bedeutet. In der hölzernen Altstadt genossen wir gedünsteten Stockfisch auf roter Bete, schossen am Morgen fröhliche Mannschaftsbilder vor der berühmtesten Fotokulisse Norwegens, und als simple Retourkutsche fummelte der findige Loki am Parkhausautomaten herum. Die Arbeit war unter seinem Niveau, er vergaß die Schranke zu schließen. Wir türmten, ohne zu zahlen.

Und da war die Nummer in Alesund, wo in der Nacht zum 23. Januar 1904 eine Petroleumlampe in einer Margarinen-Fabrik umstürzte, seitdem sind Holzhäuser in der wichtigen Fischereimetropole verboten. Ausgerechnet der deutsche Kaiser, der den Ersten Weltkrieg lostrat, war ein großer Norwegen-Fan, er baute den 10.000 Obdachlosen eine neue Stadt. Komplett im Jugendstil errichtet, sind die bunten Häuser heute ein gewaltiges Freilicht-Architekturmuseum, das sich ganz vorzüglich vom 190 Meter hohen Aksla bewundern lässt. Im Versuch, uns das zu vermiesen, verdunkelten die Himmlischen in einer Minute den Himmel und überschütteten uns mit Schnee und Hagel. Odin soll getobt haben, als man ihm zutrug, dass wir die langen Sofas und den Riesen-Kamin im altehrwürdigen Brosundet-Hotel nach der kalten Dusche nur noch mehr genossen. Wie sollen seine hölzernen Bierbänke in Walhalla da mithalten?

Und dann war da noch der Sturm auf der Passstraße am Polarkreis, neben der das Willkommens-Zentrum verwaist und eingeschneit da lag, wie ein vor tausenden Jahren versteinertes Ufo. Aber die Einzigen, die sich vom strammen Eisgebläse beeindrucken ließen, waren die vom Wind gekrümmten Markierungsstangen am Pistenrand. Kaum erwähnenswert war die Schraube im Reifen von Anke und Thomas.

Die Luchspfote ruft

Der verhasste Gott der Christen soll ja am siebten Tage Pause gemacht haben, die Unsterblichen des Nordens dachten nicht im Traum daran zu rasten, als wir trotz aller Unbilden und Hindernisse in Lødingen von der Fähre rollten, und Hinnøya, die südliche der Vesterålen-Inseln überquerten. Bei Gullesfjord haben wir mit 68 Grad und 32 Minuten unsere nördlichste Position erreicht. Nur mal zur Veranschaulichung: Wir sind bereits nördlicher als Island, müssten auf diesem Breitengrad nach Westen den Süden Grönlands durchqueren. Wir wären oberhalb der Inuit-Siedlung Qikiqtarjuaq auf der Baffin-Insel an der Davis-Straße, der Einfahrt zur Nordwest-Passage.

Und nun hatten wir unwirtlich und doch bildschön unser eigentliches Ziel vor Augen. Austvågøya ist die östlichste und größte der Inselgruppe der Lofoten, was im Altnordischen so viel wie Luchspfote bedeutet. Tatsächlich ragt die aus 80 Teilen zusammengestückelte Felskette eher wie ein knorriger, abgenagter Finger ins Nordmeer. Es gibt in Norwegen mehr Inseln als Sterne am Himmel, aber keine sind wie diese. Anders als die sonstigen platt gedrückten Eilande, ragen hier steinerne Riesen bis zu 1161 Meter hoch aus dem Meer, als hätte jemand die Alpen geflutet. Der Himmel hängt bleischwer über weißen Gipfeln, die bedrohlich wie die Reißzähne des Fenriswolfs von Langøya im Norden herüberschauen. Hier begreifst du den Horror und zugleich die Faszination, die vor 150 Jahren über 1000 Todesmutige dazu brachte, auf fragile hölzerne Schiffe zu steigen und die letzten weißen Flecken des Globus zu tilgen. Viele wurden nie wieder lebend gesehen.

Roadtrip Lofoten 7

Apropos unsichtbar: Während wir uns im Restaurant neben unseren muckeligen roten Bilderbuchhäuschen im uralten Fischerdorf Kabelvåg durch die größte Aquavit-Sammlung der Welt arbeiteten, säuselte der Barmann: „Die Prognose ist perfekt“, womit er nicht den Wetterbericht meinte, der auch für morgen alle Farben im Spektrum zwischen schmutziggrau und Anthrazit bereithalten sollte, sondern die Chance auf Polarlichter, die hier oben ganz besonders bunt über den Nachthimmel lodern. Besonders heute, besonders für uns. Denkste, die Saukerle in Asgard versperren uns nicht nur konsequent die ganze Tour über den Blick in den Nachthimmel, um uns zu verhöhnen, lassen sie es woanders leuchten. Spiegel Online meldet: In dieser Nacht gab es Nordlichter deutlich weiter südlich. In Brandenburg! Wir tranken, um zu vergessen. Wem es mit Kümmel und Koriander im Schnaps zu viel wurde, der stieg zur Vertreibung düsterer Gedanken um auf ein kühles Helles. Hier oben trinkt man „Trollfjord“, was denn sonst?

Das Ziel unserer Reise: ein Fußballplatz

Die Lofoten indes braucht man sich nicht schöntrinken. Die majestätischen Berge sind gesäumt von langen flachen Sandstränden, die selbst, wenn keine Sonne durch die Wolken bricht, kaum weniger türkis schimmern als an der Costa Smeralda auf Sardinien. Nur ist das Meer halt nie so ruhig, weil es praktisch nie windstill ist. Und so gilt es, vor dem Elfmeter die Abdrift miteinzuplanen, denn es weht eine stramme ablandige Brise über den Kunstrasen. Das 500-Seelendorf Henningsvær ist nicht nur wegen seines alljährlichen Musikfestivals „Codstock“ (Cod = Kabeljau) über seine Grenzen hinaus berühmt, sondern wegen seines „Stadions“, das hineingemeißelt in eine kleine Felsinsel als schönster Fußballplatz der Welt gilt.

Stadt-Land-Fjord
Organisiert wird die Tour in den Norden von Plusrallye. Sie führt von Hamburg aus mit neun Übernachtungen über die Lofoten ins schwedische Arvidsjaur. Das Nenngeld für ein Auto und zwei Personen liegt bei 7.500 Euro. Fähren, Maut und Übernachtungen in Hotels sind im Preis enthalten. Wer mag, kann noch ein VW-Drifttraining (4.290 Euro) mit dem deutschen Rekord-Rallyemeister Matthias Kahle dranhängen.

Infos und Anmeldungen bei www.plusrallye.com

Torhüter stehen bei der Seitenwahl vor einem unlösbaren Dilemma: Bei ablandigem Wind gilt es, eher die Seeseite zu wählen, um dem beißenden Fischgeruch der im Dorf aufgestellten Trockengestelle für Stockfisch zu entkommen. Auf der Wasserseite ist die Luft besser, aber dafür knallen dir die Gegner die Dinger mit Rückenwind noch heftiger auf die Bude. Das lustige, dilettantische Gekicke ist den Gegnern ganz oben natürlich wieder viel zu spaßig, und hier macht Loki seinen nächsten Fehler. Ausgerechnet den 944er von Marion und Thomas lässt er hüsteln und sprotzen. Dumm nur, dass Thomas in seinem früheren Leben Ingenieur war. Maschinenbau-Ingenieur. Bei Porsche. Schnell hat er eine marode Zündkerze als Übel ausgemacht, und natürlich hat er Ersatz dabei.

Und so kommen wir nach einem kurzen Wutguss von oben rechtzeitig zum einzigen Sonnenstündchen in Nusfjord an, das mit seinen roten und gelben Holzhäusern eine einzige dreidimensionale Postkarte ist. Noch kitschiger als die Kulisse draußen ist nur das Landhandel-Café, das noch immer eingerichtet ist wie ein Kolonialwarenladen wie zu Michel aus Lönnebergas Zeiten. Es gibt guten Cappuccino und Kuchen, in altmodischen Sesseln, in einer Ecke hocken ernsthaft vier Frauen aus dem Dorf und stricken, im Zeitschriftenständer an der Wand lächelt von einer Titelseite Raquel Welch.

Als wir noch jung und blöd waren, als wir träumten, Brooke Shields, Bo Derek oder Sophie Marceau ins Bett zu kriegen, als wir noch erwogen, uns Prinzessin Leia und der Rebellion gegen Darth Vader anzuschließen, gab es im Kino noch den Marlboro-Mann. In einem TV-Spot der Marke „Prince Denmark“ fuhr ein Volvo Amazon bei tiefstehender Sonne am Meer entlang Richtung Norden. Seitdem ist der Traum von den Lofoten nie auszurotten gewesen. „Dann müsstest du dir da oben ja eigentlich eine anstecken“, hat Arne gesagt. Gesagt, getan. Nichtraucher seit der ersten heimlich gemopsten Kippe im Alter von elf, schmeckt das Zeug heute kein bisschen besser als damals. Aber dieses Mal geht es ja um eine kultische Handlung.

Derlei Symbolik ist den Göttern allzu geläufig, und das Dankes-Rauchopfer kocht beim Göttervater den Honigwein über. Wir sitzen bequem in rustikal gemütlicher Stube beim Abschiedsessen von den Inseln, denn morgen geht von Reine die Fähre zurück aufs Festland, oder eben nicht. Ein Sturm zieht auf. Das Schiff fährt nicht. Um halb fünf aufstehen, im dunklen Schneetreiben über die gesamte Inselkette zurück, im großen Bogen die Küste wieder nach Süden, um nach 380 Kilometern Umweg rechtzeitig zum Abendbrot im schwedischen Arvidsjaur zu sein. Die Grenze ist geschlossen.

Nicht der unablässig fallende Schnee ist das Problem, es ist der Wind, der in kürzester Zeit weiße Dünen auf der Passstraße auftürmt. Nach zwei Stunden Rumlungern am geschlossenen Schlagbaum grinsen die Grenzer: „Willkommen im Norden.“ Die Schneeräumer strecken am späten Nachmittag die Waffen. An der Fulvia von Zoltan und Szylvia, die extra den weiten Weg aus Ungarn gekommen sind, um das Abenteuer mitzumachen, ist die Hinterachse steif gefroren. Kein Rad dreht sich mehr. Nach zwei Stunden geben die Schneeräumer endgültig auf. Es geht frühestens morgen weiter.

Die Fluggesellschaft ist pleite

Ein Teil der Kohorte hat frühzeitig umgedreht. Die provisorischen Hütten unten an der Tanke am Abzweig sind alle schon belegt. Aber 50 Kilometer Weg zurück findet sich ein Hotel mit genügend Zimmern. Als gerade alle glücklich eingecheckt haben, zündet die himmlische Sabotagetruppe die nächste Eskalationsstufe: Die Fluggesellschaft, die uns morgen heimbringen soll, hat soeben Insolvenz angemeldet und den Betrieb eingestellt. Max’ Cousin Jonas setzt sich an den Flügel, der Hotelier serviert das beste Hirschgulasch aller Zeiten.

Es war der Asen letztes Gefecht. Das VW-Reisebüro, das auf den zugefrorenen Seen von Arvidsjaur am Wochenende eine große Zahl zahlender Rutschtouristen erwartet, installiert noch am Abend eine Luftbrücke, Väterchen Frost ist die Puste ausgegangen. Am Porsche geht immer wieder der Motor aus, die Fronthaube schließt nur unwillig, weil sie vereist ist, und beim Versuch, ihn für den Rücktransport per Transportlaster zu verladen, gehen die Türen nicht mehr auf – dabei war er gar nicht abgeschlossen. Lokis letzten Streich behebt ein Helfer mit eingeschlagener Seitenscheibe, aus erbärmlicher Rache fügt ihm der rachsüchtige Sohn von Riesen eine Schnittwunde zu.

Roadtrip Lofoten 12

Unter strahlend blauem Himmel, als wäre nie was gewesen, rodeln alle acht Besatzungen noch mal in wilden Drifts übers präparierte Eis, bevor die Mehrheit zum Flughafen fährt und es nach zehn Tagen schweren Herzens ans Abschiednehmen geht. Die Trennung fällt schwer, der Frost hat uns zusammengeschweißt. Zum Schluss ein feierlicher Schwur, dass man sich wiedersehen wird. Beim Revival im Herbst wird niemand fehlen. Von diesem Abenteuer, vom Kampf gegen die Götter vor der Fantasyfilm-Kulissen Norwegens, davon werden wir noch unseren Enkeln erzählen. Am nächsten Abend grüßen Birgitta und Matthias aus der WhatsApp-Gruppe. Sie sind noch für den optionalen Driftkurs in Schweden geblieben und haben Fotos geschickt. Von Nordlichtern.

TEXT Markus Stier
FOTOS Lena Wilgalis und Peter Göbel

Wen man im Norden kennen muss

  • Asgard Wohnsitz der Götter in zwölf goldenen Himmelsburgen, mit dem irdischen „Midgard“ über die Regenbogenbrücke Bifröst verbunden
  • Walhalla Partysaal für 800 Gäste in Odins Palast. Dorthin werden tapfere Kämpfer nach dem Tod von den Walküren geleitet und bewirtet
  • Odin Der Göttervater herrscht über neun Welten, ist zuständig für den Krieg und die Toten, liebt die Weisheit und die Weiber
  • Thor Odins Sohn kann mit seinem Hammer Stürme, Blitz und Donner entfesseln. Dank seines Gürtels Medingjord hat er Superkräfte
  • Njörd Als Gott des Meeres und des Windes der nordische Poseidon, zuständig für Schifffahrt und Fischerei
  • Freya Die nordische Venus ist Njörds Tochter und kümmert sich um Schönheit, Liebe und Fruchtbarkeit, aber auch Krieg und Tod
  • Loki Sohn von Riesen, groß gewachsen und gut aussehend, aber auch verschlagen und ein Wendehals. Er ist der listige Gott des Unheils und der Zwietracht
  • Fenrir Der gefräßige Riesenwolf ist Lokis Kind und frisst nicht nur alles Lebendige. Von dunklen Elfen an die Kette gelegt, aber später befreit, tötet er Odin
  • Surt  Der Riese ist der Feind der Asen und wohnt im vulkanisch glühenden Muspellsheim. Mit seinem Feuerschwert zerstört er die Regenbogenbrücke nach Asgard und steckt die Welt in Brand
  • Ragnarök Die Endschlacht im Himmel, in der Loki mit Fenrir und der Midgard-Schlange die Welt vernichtet
LESENSWERT.
WALTER.