Das Bild an der legendären Villa d’Este am Comer See eine knappe Autostunde nördlich von Mailand ist selbst mit dem mäßigen Wetter bei 13 Grad Celsius und einem unangenehmen Wind beinahe schon surreal. In dem Park rund um das historische Grand Hotel von Cernobbio präsentieren sich mehr als 50 klassische Autos, die kaum weniger einzigartig sind als Lokalität und Szenerie. Geladene Gäste flanieren herausgeputzt mit einem Glas Champagner in der Hand an den verschiedenen Fahrzeugklassen vorbei, die nach Themengebieten aufwendig orchestriert wurden – über Monate.
Kollektoren aus aller Welt präsentieren beim Consorso ungewöhnliche Modelle wie einen 1923er Diatto Tipo 20 S, den 1934er Cadillac V16, Mercedes 300 SL von 1955, 1971er Maserati Quattroporte AM 121 oder einen roten Mercedes 600 von 1972 mit kurzem Radstand. Das Publikum schwelgt, die Betrachter plaudern und fotografieren, während Juroren die Klassiker akribisch unter die Lupe nehmen, um den Besten der Schönen zu ehren.
Das Wetter am Comer See war alles andere als gut in den vergangenen Wochen und nach dem Dauerregen im letzten Jahr war die Erleichterung bei allen Beteiligten zu spüren, dass es beim diesjährigen Consorso d’Eleganza zwar kühl und ungemütlich, doch zumeist trocken blieb und am Sonntag sogar die Sonne strahlte. Die Open-Air-Veranstaltung unter freiem Himmel lebt schließlich nicht nur von der einzigartigen Lokalität an dem norditalienischen Bergsee, historischen Villen in der direkten Umgebung oder dem Besuch der Schönen und Reichen, sondern eben auch vom Wetter.
Gerade weil es beim Concorso nicht nur die Klassiker aus 100 Jahren Automobilgeschichte, sondern auch neue Fahrzeuge zu bewundern gibt, die kaum weniger sehenswert sind und bei strahlender Sonne anders wirken. BMW enthüllte bei der Veranstaltung nicht nur das 20. Artcar, das in wenigen Wochen beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans um den Sieg kämpft, sondern die spektakuläre Studie des BMW Concept Skytop, ein grandios schöner Luxus-Targa, der beste Chancen hat, in einer Kleinserie von 50 Fahrzeugen gebaut zu werden. Preis: über 500.000 Euro.
Rolls-Royce setzte derweil seinen frisch überarbeitetem Cullinan Series II in Szene, während sich Autofans an aktuellen Studien wie einem Lotus Typ 66, dem knuffigen Triumph TR25 oder einem Koenigsegg CC 850 die Nasen plattdrückten.
Doch der Concorso d’Eleganza hat viel mehr zu bieten als die millionenschweren Klassiker auf dem Gelände der Villa d’Este. Ein paar hundert Meter die Straße herab geht es auf dem nicht weniger schönen Areal der Villa Erba mindestens ebenso unterhaltsam zu. Hier treffen sich Clubs aller Marken, Autofans aus ganz Europa und Sammler verschiedenster Epochen. Ein Familien- und Fanfest, das bis zu 10.000 Besucher anlockt, die Spaß am Automobil haben und die eigenen Schönheiten gerne neben die Klassiker von Sammlern und Herstellern präsentieren. Der Höhepunkt: eine Sonderausstellung mit den bekanntesten Modellen des jüngst verstorbenen Stardesigners Marcello Gandini, der automobile Schönheiten wie den Lamborghini Miura, Lancia Stratos, Fiat 132 oder den ersten 5er BMW kreierte.
Wem das noch immer nicht reicht, der gönnt sich angesichts der katastrophalen Verkehrslage zwischen Cernobbio und Como einen 20minütigen Fußmarsch und besucht mit dem Fuori Concorso eine Veranstaltung, die immer mehr Aufmerksamkeit bekommt. Auch hier gibt es einzigartige Preziosen zu bestaunen – vom historischen Rennwagen der 1950er bis zum Aston Martin Vantage der Neuzeit. Die Stimmung ist prächtig und auch bei diesem Concorso gilt, dass die Autos allein nicht die Musik machen.
Die Szenerie am Comer See ist es, die den Unterschied macht und diese unvergleichliche Stimmung verbreitet. Das hat nicht einmal die kunterbunte Monterey Carweek Mitte August als exklusivste und schönste Autoveranstaltung der Welt mit dem Höhepunkt des Concours d’Elegance von Pebble Beach zu bieten. Und wenn sich der Concorso d’Eleganza öffnet und weiterentwickelt, hat der Großevent an der kalifornischen Pazifikküste eine echte Konkurrenz am Comer See.
TEXT Stefan Grundhoff
FOTOS Gudrun Muschalla
