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Röhrl-Ausstellung und Porsche-Dachzelt.

Zwischen Schätzen und Monumenten wandeln, die Parade der Berühmtheiten abnehmen, ganz allein den Atem der Ewigkeit spüren und dem Flüstern der Geschichte lauschen. Es gibt wenig Erhabeneres und Elitäres als eine Nacht im Museum, außer vielleicht du hast auch noch einen Porsche mit Zelt dabei.

Der Lärm der letzten Kinder entfernt sich langsam. Autos und Lokomotiven stehen geduldig auf ihren Plätzen und warten auf die Nacht. Das Einzige, was das Schweigen durchbrich, ist der betörende Ruf des Popcorns in der rechten Tüte. „Ist gerade frisch fertig“, hat der Mann im Bistro gesagt. Nehmen wir und dazu noch eine Tüte Nachos, zwei Berliner und einen Cappuccino. Das Bistro schließt gleich, und wir haben ja noch viel vor. 

Als wir noch jung waren, gab es in den damals noch zahllosen Lichtspielhäusern der Stadt Nachtvorstellungen. Da wurden meist olle Kamellen gezeigt und genau deshalb ging man dort hin. Um sie mal wiederzusehen. Um sich zu erinnern. Heute ist Filmabend mit Standbildern, das Kino findet nur im Kopf statt, aber laufen da nicht eh die besten Filme? Der Jumbo lugt neugierig herunter, als sich die einsame Gestalt mit Fresszeug in beiden Händen umständlich Zugang zu dem großen grauen Klotz auf der anderen Seite des großen Platzes verschafft. 

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In der Weltraumhalle brennt noch Licht. Schon von weitem strahlt der kleine Fiat 131 von seinem Podest. Dahinter der Ascona 400, der Lancia 037 und der lange Quattro, die vier Autos, auf denen der Lange aus Regensburg seine Legende begründete, stehen erste Reihe Mitte. Seit letztem Herbst zeigt das Technik-Museum Speyer eine Röhrl-Sonderschau. Darüber hängt eine andere Legende. Die Junkers JU52, liebevoll „Tante Ju“ genannt, hat ihre Wellblechflügel 30 Meter breit wie eine gluckende Graugans schützend über dem Schwarm der Röhrlschen Fluggeräte aufgespannt.

Insgesamt 14 Stück haben verschiedene Sammler aufgeboten und sie markieren die wichtigsten Stationen im Leben des Regensburgers, angefangen vom 73er Opel Kommodore, bis zum 1988er Pikes-Peak-Quattro E2, die Spannweite reicht von 160 PS bis über 600. Es sind auch ein paar Nachbauten dabei, aber was soll’s? Wie schrieb schon Gertrude Stein: Ein 037 ist ein 037, ist ein 037. Na ja, kann auch sein, dass sie über Rosen geschrieben hat.

Dass man in Porsches Luxuslimousine Taycan wie auf Rosen gebettet schliefe, würde die Marketing-Abteilung selbst auf Koks und Spätzle mit brauner Soße nicht behaupten, deshalb haben sie uns ein Zelt mitgegeben. Dachzelte sind gerade der letzte Schrei und böse Zungen behaupten, Porsches Antwort auf die galoppierenden Immobilienpreise in Stuttgart. 

Bei der Wahl des richtigen Wohnstandorts gelten grundsätzlich drei entscheidende Kriterien, nämlich: Lage, Lage und Lage. Grundstücksmakler haben wir gerade keinen zur Hand. Aber hinten lockt gülden verkleidet exklusivste Nachbarschaft: der Nachbau der Apollo 11 Landefähre. 

Walter Röhrl und Herbert Marecek fielen bei ihrer zweiten Rallye, der Bavaria 1969 aus, Neil Armstrong und Buzz Aldrin landeten erfolgreich auf dem Mond, zur Überraschung selbst vieler der 700 Leute im Mission-Control-Center in Houston, heute auch ein Museum. Die Besatzung parkte die Eagle im Sommer 1969 im „Meer der Ruhe“, das klingt doch nach dem perfekten Campingplatz. 

Bei Apollo passte die Anfluggeschwindigkeit nicht, der geplante Landeplatz war schon überflogen. Vor den Astronauten türmte sich ein unwegsames Geröllfeld auf. Als Armstrong das Triebwerk ausschaltete, hatte er noch für 15 Sekunden Treibstoff. Insgeheim kalkulierten die ersten Männer auf dem Mond: Die Chance, dass es gutgeht: Fifty, Fifty. Zu viele Dinge waren in der Vorbereitung schiefgegangen. 

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Auch beim Verlassen des Schwaben-Orbits ist nicht alles reibungslos gelaufen. Kurz nach der Auffahrt auf die A81 meldet der Porsche-Bordcomputer „SWA nicht verfügbar.“ Was zum Teufel ist SWA? Das Handbuch steckt hinten im Kofferraumboden, es ist so dick wie ein Telefonbuch. Der Apollo-Bordcomputer löste kurz vor der Landung Systemalarm aus und meldete Fehler 1202. Fragende Blicke in Houston, Ratlosigkeit im Taycan. Kurz danach die nächste Warnung: „Warn- und Bremsassistent eingeschränkt.“ Ja sage mal, sind wir hier bei Apollo 13?

Alles halb so wild. Damals wollte der Computer nur mitteilen, dass er überlastet ist, weil Aldrin das Kopplungsradar eingeschaltet hatte, aber der Rechner arbeitete weiter, er kündigte nur an, sich auf das Wichtigste zu konzentrieren: das Landeradar. Und der Taycan wollte nur sagen: „Was ein Schietwetter heute. Mach mal meine Sensoren sauber.“ 

In der geheizten und trockenen Halle ist der Rückwärtsgang eingelegt, surrend setzt sich die viertürige Rakete in Bewegung. Jetzt ein Adlerauge auf die Rückfahrkamera und beim Einparken bloß nicht die gläserne Vitrine vor der Eagle umschubsen, in der einer der größten Schätze zur Schau gestellt wird.

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Vor zehn Jahren war Gene Cernan da, der letzte Mensch auf dem Erdtrabanten. Der Amerikaner übergab ein halbes Jahrhundert nach seinem Abenteuer mit Apollo 17 ein echtes Souvenir vom Mond. Mondstein 15.499,67 ist ein Faustkeil großes Stückchen Basalt, das die Besatzung von Apollo 15 auf die Erde brachte und ein Beweisstück, dass unser treuester Begleiter im All einst ein Stück Erde war. 

Der Mond hieß mal Theia, er brachte gewaltige Mengen an Wasser mit, das unseren Planeten zu dieser einzigartigen blauen Murmel machte, die über einem Riesenposter des Dune-Kraters ganz oben von der Hallenwand leuchtet, und von der wir trotz aller großartigen Teleskope im uns bekannten Universum bisher keine auch nur ähnlich schöne gefunden haben. Theia krachte mit 14.000 Stundenkilometern in die frühe Erde und riss große Massen Gestein aus der frischen Kruste, das sich durch Gravitation später zu genau der Kugel formte, die uns in 385.000 Kilometern Entfernung umkreist. 

Unser Sonnensystem ist rund 4,5 Milliarden Jahre alt. Den großen Rumms gab’s vor rund drei Milliarden Jahren, und vermutlich beschlägt ein paar Meter hinterm Porsche gerade das Visier im ausgestellten Raumanzug von Cernan, weil sich darin sein Geist kichernd ausschüttet, wie der Amateur-Camper versucht, unfallfrei die Nullen aufzuzählen. Jetzt komm mal runter Gene, es ist eine drei mit neun Nullen, und bitte näss dich nicht vor Lachen ein. In diesem Anzug ist keine Windel. Die Parkbremse ist aktiviert. Jetzt Startknopf drei Sekunden drücken, dann schaltet Taycan4 seine Systeme ab. This is Tranqulitiy Base. The Porsche has landed.

Die ersten Männer auf dem Mond mochten das geplante Nickerchen nicht machen. Wie soll man in so einem Moment schlafen? Trotz verkürzter Ruhezeit dauerten die Vorbereitungen zum Ausstieg drei Stunden. Am Taycan sind zwei Verschlüsse zu öffnen, dann faltet sich das Dachzelt mit Teleskopdämpfern selbst auf. Dann Leiter greifen und mit der vorderen Zeltbodenplatte in einem Griff ausklappen, Leiter auf die richtige Länge ziehen, arretieren, fertig – definitiv ein kleiner Schritt für einen Menschen. 

Der Mond kommt für Röhrl direkt nach Afrika

Walter Röhrl weiß noch, dass er zu Hause war, als die Menschheit ihren Riesensprung machte. „Klar habe ich das verfolgt. Das war ja ein Riesending damals. Ich habe nur nie verstanden, dass es Leute gab, die das dann auch machen wollten. Ich wollte nie zum Mond fliegen. Das kommt für mich gleich nach Afrika.“ 1974 fuhr er im Ascona A in Marokko, 1976 im Kadett GT/E die Safari. Bilanz: eine Panne, ein Unfall. Trotz der Hitze wurde der Bayer mit dem schwarzen Kontinent nicht warm. 

Neben dem Kadett steht auch der Ascona 400 in der Ausstellung, mit dem er 1982 an der Elfenbeinküste zum zweiten Mal Weltmeister wurde, und da wird ihm doch ein bisschen warm ums Herz. „Der Ascona war so leicht zu fahren. Das war wirklich Spaß. Im Quattro S1 war es kein Spaß mehr.“ Drei Sport-Quattros hat das Museum zusammengebracht. Der „Kurze“ von der Neuseeland 1985, eine empfindliche Niederlage gegen Peugeot, daneben der S1 E2 von der San Remo 85, ein Triumph des Perfektionisten gegen die französische Übermacht und dann die 88er Pikes-Peak-Rakete, in der er mit über 600 PS dem Himmel entgegen stürmte. Die für die dünne Höhenluft noch mal aufgestockte Heckflosse ist niedriger als gedacht, Dinge, die erst auffallen, wenn du mal richtig Zeit zum Betrachten hast, richtig nah rangehen kannst. 

Vor den Monte-Siegerautos haben sie Monitore angebracht, auf denen in Endlosschleife Kurzfilme von den Rallyes laufen. Mist, Campingstühle vergessen. Schnell ist eine eiserne Sitzbank requiriert, zum Glück ist keiner da, um die Popcorn-Krümel auf dem Boden zu bekritteln.

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Draußen ist es längst stockfinster. Der Vorführabend kann beginnen. Mein Gott, was für ein Winter-Wonderland 1980 in Südfrankreich. Am Turini steht das Volk dicht an dicht auf Autodach hohen Schneemauern. Der 80er-Film ist der Schönste, auch weil da ein heimeliges Lagerfeuer brennt. Beim Fiat möchte man schwören, er hätte die fettesten Schlappen aller Exponate, dabei ist einfach die Mirafiori-Karosse so schmal. Überhaupt, wie klein und zierlich all diese Drift-Monumente sind, aber das liegt vielleicht auch an den Größenverhältnissen. Gegen die Buran in der anderen Ecke der Halle sieht selbst ein Fünf-Meter-Taycan Cross-Country aus wie ein Spielzeug.

Röhrl: “Das müssen die sich mal anschauen”

Speyer beherbergt eines der raren russischen Space Shuttles. 36 Meter lang, 24 Meter breit Meter und rund 16 Meter hoch war die sowjetische Kopie des amerikanischen Raumgleiters und beim Start 105 Tonnen schwer. „Was das für ein Monstrum ist“, sagt der Röhrl beeindruckt am Telefon. Überhaupt hat ihm der Ort für seine Ausstellung sehr gefallen. „Das ist ja alles Geschichte. Unglaublich, zu was die Menschheit in der Lage ist, wenn sie ihre Kreativität für positive Dinge nutzt.“ Röhrl schickt seitdem all seine Bekannten mit Kindern auf den Weg an den Rhein. „Das müssen die sich mal anschauen.“

Das große Kind auf der Bank hat alle Filme geguckt und sein Popcorn aufgegessen. Ist noch Tee in der Thermoskanne? Zeit für einen Schlummertrunk. Besser auf der Leiter sitzen oder mit Kissen im Fenster im Zelt liegen? Oder noch ein bisschen rumlaufen. Alles noch zu aufregend zum Schlafen. Der Lancia 037 lugt herüber zum Spacelab, in dem 1983, als Röhrl im Lancia wie von einem anderen Stern fuhr, ein weiterer Deutscher zum Star wurde. Ulf Merbold ist so was wie der Weltraum-Röhrl. Erster Bundesdeutscher im All (wir wollen aber auch Siegmund Jähn aus der damaligen DDR nicht unerwähnt lassen!), erster Nicht-Amerikaner auf einer US-Raumfähre, einziger Deutscher, der dreimal ins All flog. 

Raumschiffe und Rallyeautos passen gut zusammen. Bei all den Kräften und Unbillen, die auf sie einwirken, ist ein guter Ausgang der Mission nicht nur das Resultat unglaublich akribischer Detailarbeit, sondern immer auch eine Art Wunder. Der Commodore, mit dem Röhrl 1973 in den französischen Seealpen ohne Bremsen ums Überleben kämpfte, steht in der Ausstellung einem japanischen Leichenwagen mit goldenem Drachen gegenüber, sicherlich nur ein Zufall.

Rallyefahrer und Astronauten sind vom gleichen Schlag. Männer, die bei aller Erprobung und aller Routine ständig Krisenmanagement betreiben, und die dabei doch nie die Nerven verlieren. Wie sagt Museumsmitarbeiter Marcus Reeg, der uns die Halle aufgeschlossen hat, der Röhrl und Beifahrer Christian Geistdörfer bei der Eröffnung im Herbst live erlebt hat: „Ich glaube, die bringt so schnell nichts aus der Ruhe.“

Den bis heute einzigen deutschen Monte-Carlo-Sieger und Rallye-Weltmeister einen Galaktischen zu nennen, geht nicht. Dieses Attribut ist seit Jahrzehnten Männern wie Toni Kroos und den Spielern von Real Madrid vorbehalten. Der Außerirdische passt auch nicht, das war E.T. Aber es gab diese Tage, wo er wie vom anderen Stern fuhr, so wie 1980 im Fiat, wo er den Kollegen im Zorn androhte. „Ich geb euch zehn Minuten.“ Es waren dann sogar über zehneinhalb. Oder 1976, wo er im Sportwagen des kleinen Mannes, dem Kadett GT/E, die unbesiegbaren Stratos-Raketen in Monte-Carlo piesackte. Und natürlich 1984 im Audi Quattro, der lange nicht wollte wie er, mit dem der Allrad-Novize den absoluten Schneekönig Stig Blomqvist bei einer der schneereichsten Monte-Ausgaben der letzten zehn Jahre schlug.

Buran vs. Quattro

Der bayrische Bulle steht breitbeinig und selbstbewusst direkt vor dem Porsche-Campingplatz, seine sechs Zusatzscheinwerfer stolz wie ein Alpha-Männchen das Geweih in Richtung Buran richtend, als würde ein Hirschkäfer einen Elefanten herausfordern. Im Cockpit des Raumgleiters brennt noch Licht, aufgeregte Stimmen rufen sich irgendwas auf Russisch zu. Das Exemplar in Speyer ist der einzige echte bemannte Flieger einer Flotte von zehn Prototypen, von denen die meisten zerlegt oder zerstört sind. 25 Flüge in der Erd-Atmosphäre hat sie absolviert, um Flugverhalten und Landung zu proben. 

Sie wurde im selben Jahr 1984 gebaut wie der gelb-weiße Quattro. Das russische Raumschiff schaffte im runter gewirtschafteten Sowjet-Staat anno 1988 gerade mal einen Flug ins All und das unbemannt. Der lange Quattro wurde 1984 zum zweiten Mal Weltmeister und holte bei der Monte einen Dreifach-Sieg. Also, wer ist hier der Platzhirsch? Der Lancia daneben, ein Jahr zuvor noch eine bewunderte Wundermaschine, kassiert im Schnee rund 29 Minuten. Röhrl kann sich nicht entscheiden, welcher seiner Renner sein liebster ist: „Das schwankt immer.“ Über den 037 schwärmt er: „Mein elegantestes Auto.“ 

Jenes, mit dem er eine Raketen-Karriere startete, der gelbblaue Capri, mit dem ein Nobody aus der Provinz bei der Olympia-Rallye die Weltelite an die Wand fuhr, sodass die Rennleitung an einen Zeitenfehler glaubte, versteckt sich schüchtern hinter seinen riesigen Hella-Zusatzlampen in der Meute der Exponate. 1972 ging das Apollo-Programm nach 17 Missionen unter, im selben Jahr ging der Stern des Walter Röhrl auf. 

Bei aller Verehrung: Die Violinen-Ouvertüre des Quattro-Films nervt nach dem 40. Durchgang ein bisschen. Oben in der Buran quatschen die Russen vom Band immer noch hektisch, als würde gerade irgendwas schiefgehen. Unten im Film lösen E-Gitarren die Geigen ab. Apropos Strom: Der Bordcomputer zeigt 53 Prozent Batterie-Kapazität und 205 Kilometer Restreichweite. Die Porsche-Bodenstation hat ausgerechnet, dass der Heimflug trotz zusätzlicher Nutzlast und höherem Luftwiderstand möglich sein müsste. Zwischenladen ist was für Feiglinge. Wie hat der coolste Typ der Raumfahrtgeschichte, Flight Director Gene Crantz bei Apollo 13 gesagt: „Ein Fehlschlag ist keine Option.“ Meine Mutter hätte damals um die Uhrzeit gesagt: „Jetzt aber Ruhe. Und Licht aus!“ Warte, Mama, nur noch ganz kurz. Gleich kommt wieder die Filmstelle mit dem Fünfzylinder-Sound.

TEXT Markus Stier
FOTOS Michael Orth

Diese und mehr Geschichten gibt es in WALTER #16

W16 N
LESENSWERT.
WALTER.