Junge, wie die Zeit vergeht! Im Jahr 1994 wird in Deutschland die Eisenbahn privatisiert. Nelson Mandela wird südafrikanischer Präsident und bei der Bundestagswahl bleibt Helmut Kohl Kanzler einer Koalition, bestehend aus CDU/CSU und FDP. Der Kanzlerkandidat der SPD heißt übrigens Rudolf Scharping. In Imola verunglückt Ayrton Senna tödlich und ein gewisser Michael Schumacher gewinnt die Fahrerwertung der Formel 1-Weltmeisterschaft in einem Benetton-Ford.
Da sind wir schon beim Thema: Auch ein Ford erreicht 2024 den Oldtimer-Status. Allerdings ist der Ford Scorpio II eher ein Nischenfahrzeug für Menschen, mit Mut zum Außergewöhnlichen (um das Wort Hässlichkeit mal zu vermeiden). Obwohl in Köln gebaut, folgte das Design der zweiten Generation des Wagens der Oberen Mittelklasse dem US-amerikanischen Geschmack. Der Coup geht nicht auf und 1998 sticht dieser Ford-Trumpf zum letzten Mal.
Ansehnlicher sind der Lancia Kappa und der Maserati Quattroporte IV, mit dem die Dreizack-Marke ihr Comeback auf dem Markt der Luxus-Limousinen feiert. Wo die Wörter Luxus und Limousine zusammentreffen, sind die deutschen Autobauer nicht weit. Der BMW 7er der Baureihe E38 ist wohl eines der ansehnlichsten Fahrzeuge in der Geschichte der Bayerischen Motorenwerke. Dann noch einen klassischen Reihensechszylinder oder noch besser acht Töpfe und die weißblaue Welt ist in Ordnung. Für die ganz Standesbewussten bieten die Münchner auch noch einen stattlichen Zwölfender mit mächtig Temperament.
Rund 70 Kilometer nördlich bemüht sich Audi, das Alt-Herren-Image abzulegen. Ein Konter im Luxussegment gegen Stuttgart-Untertürkheim und München ist der neue A8. Das Ingolstädter Flaggschiff mit dem internen Code D2 setzt im großen Umfang Aluminium ein, um leichter als die Mercedes S-Klasse und eben dem BMW 7er zu sein. Wie von Ferdinand Piëch gewünscht, punktet der Audi A8 mit einer Technikarmada, begrüßt mit dem Bundeskanzler Gerhard Schröder einen prominenten Fahrgast und triumphiert damit erstmals über die sonst bei einem deutschen Regierungschef gesetzte Mercedes S-Klasse.
Weil man in Ingolstadt gerade so schön im Attacke-Modus ist, schiebt man vor 30 Jahren noch schnell den Audi RS2 Avant nach. Wie die interne Bezeichnung P1 schon andeutet, baut Porsche den Power-Kombi, der seine 315 PS aus einen aufgeladenen 2,2 Liter Fünfzylinder schöpft. Kleines Schmankerl am Rande: Die Außenspiegel stammen vom Porsche 911 (993). Sicher ein Bolide, der heute noch Freude bereitet und mit dem man definitiv nicht untermotorisiert ist.
1994 wechselt Audi die Nomenklatur und präsentiert den neuen A4 als Nachfolger des Audi 80 in der Mittelklasse, um dem BMW 3er und der Mercedes C-Klasse Paroli bieten zu können. Mercedes hat schon ein Jahr davor die neue Baureihe W202 auf die Bühne gerollt, die Auslieferungen beginnen aber erst 1994. Die Schwaben wollen gleich zeigen, wer Herr im Hause ist und schickt den C 36 AMG mit 280 PS in den Ring. BMW backt da deutlich kleinere Brötchen und geht das Segment mit dem 3er Compact von unten an.
Man mag es kaum glauben, aber vor 30 Jahren war Alfa Romeo noch richtig aktiv. Allerdings macht sich damals bei den neuen Golf-Gegner Alfa Romeo 145 der zunehmende Einfluss Fiats bemerkbar, da sich der Dreitürer mit dem markanten abfallenden Schwung in der unteren Linie des Türfensters die Teile der Technik mit dem Fiat Tipo teilt. Ähnliches gilt für das Brüderpaar Alfa Romeo Spider und GTV der Baureihe 916, die ebenfalls 2024 dreißigjähriges Jubiläum feiern. Auch Fiat, damals noch ein echter VW-Konkurrent, steht heute auf dem Stellantis-Abstellgleis. Autos wie das charmante Fiat Punto Cabrio und das Fiat Coupé, dessen Formen tatsächlich aus der Feder des späteren BMW-Designchefs Chris Bangle stammen, sind auch 30 Jahre nach ihrem Erscheinen gerne gesehen.
Opel ist 1994 ebenfalls noch mehr Hansdampf in allen Gassen und versucht mit dem Omega B in der Oberklasse an die traditionsreiche Geschichte anzuknüpfen. Mit fast fünf Metern Länge ist der Rüsselsheimer optisch ein Statement, mit dem nicht alle Motorenvarianten mithalten können. Vor allem der Vierzylinder mit lediglich 116 PS wird dem Auftritt des Blitz-Wagens nicht gerecht. Die stärkeren Sechszylinder und der Dampfhammer-V8 passen viel besser zu Opels letzten Modell mit Heckantrieb. Ein typisches Kind seiner Zeit ist der erste Opel Tigra.
Damals noch ein echtes Highlight und ein echter Goldesel ist der VW Polo III. Wie sein größerer Bruder der Golf, ist auch der Wolfsburger Kleinwagen (Code 6N) ein garantierter Verkaufsschlager. Der VW-Kleinwagen ist etabliert und bekommt einen Verwandten an die Seite gestellt: Der Skoda Felicia ist das erste Modell des tschechischen Autobauers seit der Übernahme durch den Volkswagen-Konzern drei Jahre zuvor. Die Strategie ist eingängig und erfolgreich: solide VW-Technik, nicht die neueste Version aber bewährt und das zu einem guten Preis.
Wer sich damals einen neuen Porsche 911 (993) Cabrio in die Garage gestellt hat, ist heute an den Eisdielen der King of Kotelett. Der letzte luftgekühlte Neunelfer ist ab 2024 ein gefragter Oldtimer. Auch die Oben-ohne-Version der zweiten Generation des Saab 900 Cabrios hat bis heute Fans, auch wenn für manche der Schweden-Gleiter nur ein Opel Vectra in anderen Klamotten ist. Das schnörkellose Design des Peugeot 306 Cabriolets stammt von Pininfarina und das Auto läuft in Italien vom Band.
Wenn wir uns schon südlich der Alpen tummeln, sollte nicht unerwähnt bleiben, dass der Ferrari 355 sich ebenfalls 2024 ein H-Kennzeichen an die Karosserie schrauben lassen kann. Ein Konkurrent des feurigen Italieners ist der Aston Martin DB7, den der dreimalige Formel-1-Weltmeister Jackie Stewart während der Entwicklungsphase testet. Im Grund die gleiche Rolle, die Walter Röhrl bei Porsche ausfüllt. Zwei andere Briten, die fünfte Auflage des Jaguar XJ und der Range Rover 2, sind gesetzter unterwegs. Beim britischen Geländewagen ist die Neuauflage überfällig, denn die erste Generation ist bereits 24 Jahre unterwegs.
Vor dreißig Jahren machen sich auch die Asiaten in Deutschland bemerkbar. Der Toyota RAV4 Nummer eins kommt nach Deutschland. Bekannter ist hierzulande schon der Toyota Celica VI. Das sportliche Coupé mit der Kennung T20 schaut mit vier Scheinwerfen in die Welt. Die betont athletischen Formen sind nicht jedermanns Sache, aber die Formel Power statt Kilos folgt grundsätzlichen Rennsportprinzipien. Einen anderen Weg schlägt die erste Generation des Kia Sportage ein. Damals sind die Produkte aus Korea noch echte Exoten und punkten eher über den Preis. Der Renault Laguna wird Anfang 1994 ausgeliefert und will ab diesem Zeitpunkt französisches Flair in der Mittelklasse verströmen.
TEXT Wolfgang Gomoll