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America first. Die USA machen die Grenzen dicht.

Die USA locken die deutschen Autobauer mit gewaltigen Investitionen in ihr Land. Für viele EU-Politiker kommt diese Subventionspolitik einer neuen Art des Protektionismus gleich, doch es spielen mehrere Faktoren eine Rolle, weshalb die Dollar-Mauern so hoch sind.

Der 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika hat es immer wieder betont: „America First“. Also, dass die USA ihre Interessen über das der anderen Staaten stellen. Und das mit allen Konsequenzen. Donald Trumps Zwei-Wörter-Doktrin bedeuteten nämlich nichts anderes als das Ende des freien Handels, wie er seit mit der 1990er-Jahre weltweit forciert worden war. Frei und global sollten die Wirtschaften ihre Produkte anbieten können. Eigentlich eine Wunschvorstellung für Nationen wie die USA. Doch das war einmal.

Wer glaubt, dass sich die USA unter Trumps Nachfolger Joe Biden zurückbesinnen würde, sieht sich getäuscht. Auch der demokratische Präsident beharrt auf dem Primat der eigenen Wirtschaft. Die geopolitische Lage unterstreicht dieses Ansinnen. Die Biden-Administration sieht im Freihandel eine Bedrohung der Wirtschaftskraft und damit des Wohlstands ihres Landes.

Die Konsequenz: es werden Grenzen errichtet, die auf den ersten Blick nicht als solche zu erkennen sind und ein Rückfall in die dunkle wirtschaftliche Vielstaaterei des 19. Jahrhunderts droht. Der Titel „Inflation Reduction Act“ (IRA) lässt auf den ersten Blick eine Inflations-Preissteigerungsbremse vermuten, ist aber letztendlich die Zementierung des US-Neo-Protektionismus.

Audi Chef Markus Duesmann

Um was geht es beim IRA genau? Kurz gesagt ist das Gesetz ein gigantisches Subventionsprogramm mit einem Umfang von 433 Milliarden US-Dollar. Bezogen auf die Automobilindustrie heißt das: „Baut eure Autos und Batterien bei uns, wir geben euch Geld.“ Die Subventionen gehen in die Milliarden.

Das Wedeln mit den grünen Scheinen verfehlt seine Wirkung nicht: Statt in Deutschland plant VW den Bau zwei neuer Fabriken in den USA neue Fabriken: Im Süden der USA sollen die Autos der wiederbelebten Marke Scout vom Band laufen, eine Gigafabrik soll folgen. Audi eifert der Mutter aus Wolfsburg wohl nach und plant ebenfalls ein. „Mit dem Inflation Reduction Act ist der Bau eines US-Werks für Elektroautos natürlich hochattraktiv geworden“, macht Audi-Chef Markus Duesmann gegenüber der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ klar.

Auch BMW folgt dem Lockruf des Geldes, um sich Absatzpfründe im großen Automarkt zu sichern und baut das Werk in Spartanburg für eine Milliarde US-Dollar um, um in Zukunft dort Elektroautos bauen zu können. Die Batterien werden in Zukunft in Woodruff (South Carolina) montiert, wo für 700 Millionen Dollar eine neue Fertigungsstätte entsteht.

Da Mexiko Teil der Freihandelszone bleibt, fließen noch einmal gut 800 Millionen Dollar für die Umrüstung zur Fertigung der „Neuen Klasse“ und der Batterien in das Werk in San Luis Potosí. Eine Prämie beim Kauf eines Elektroautos ist ebenfalls vorgesehen. Jeder US-Bürger erhält beim Kauf eines samt Batterie in den USA gefertigten Stromers einen Zuschuss von 7.500 Dollar für Pkws, die maximal 55.000 Dollar kosten, bei den Pick-ups beziehungsweise Vans sind es maximal 80.000 Dollar.

BMW Akkutechnik

Allerdings wäre dieser Protektionismus durch die Hintertür also mit finanziellen Anreizen nicht in diesem Ausmaß möglich, wenn die hohen Energiekosten in Europa nicht die Autobauer in die offenen Arme der US-Amerikaner treiben würden. Dennoch sind die USA nicht zwingend der Bad Guy als der sie von EU-Politikern hingestellt werden.

Zwischen der EU und den Vereinigten Staaten und der EU existiert derzeit kein bilaterales Handelsabkommen. Daher wird beim Handel der beiden Regionen der sogenannte Meistbegünstigungszollsatz angewendet. Bei diesen Zollsätzen gibt es deutliche Unterschiede zwischen den USA und der EU: Bei den Elektroautos liegt der EU-Zollsatz um 7,5 Prozent höher als der der USA (10 Prozent zu 2,5 Prozent). Bei den Preisen für Elektroautos macht das schnell mehrere tausend Euro beziehungsweise Dollar aus.

„Der Automobilexport ist einer der entscheidenden Pfeiler der deutschen Außenwirtschaft. So entfielen im Jahr 2022 rund 16 Prozent der deutschen Ausfuhren allein auf Kraftwagen und Kraftwagenteile“, heißt es in einer Expertise des ifo-Institutes vom März dieses Jahres. Wenn man sich die Exportzahlen genauer anschaut, sinkt der Anteil der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor rapide, während die Zahl der Elektroautos steigt. Mit einem Anteil von acht Prozent spielt die USA beim Export keine dominante Rolle. Zieht man den Wert der exportierten BEVs ins Kalkül, sind die USA mit einem Anteil von 13 Prozent an den Gesamtexporten der zweitwichtigste Markt hinter der EU (27 Prozent).

VW Werk Chattanooga Produktion 1

Für die USA ist Deutschland der wichtigste ausländische Lieferant von reinen Elektro-Pkw mit einem Anteil von rund 33 Prozent des Gesamtwerts der US-amerikanischen Importe. Betrachtet man den Produktionsstandort, wird rund jedes zweite BEV, das die deutschen Hersteller verkaufen, auch hierzulande gebaut. Anders als das bei den Modellen mit Verbrennungsmotor der Fall ist, bei denen entsteht die Mehrheit außerhalb der EU.

Durch das IRA sind also hauptsächlich die innerhalb Deutschlands beziehungsweise der EU produzierten Elektroautos betroffen. „Allerdings gibt es zumindest Indizien dafür, dass sich das internationale Produktionsnetzwerk der deutschen Hersteller für Elektroautos in Zukunft der Produktionsstruktur für Pkw mit Verbrennungsmotor angleichen könnte und somit in Zukunft auch die Elektroautos für den US-amerikanischen Markt zu einem großen Teil in Nordamerika selbst produziert werden“, heißt es in der Ifo-Analyse. Also verfehlt der IRA die angedachte Wirkung nicht und saugt Produktionskapazitäten und damit auch Arbeitsplätze über den Atlantik.

TEXT Wolfgang Gomoll

LESENSWERT.
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