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Mit dem Lamborghini Revuelto auf das Eis.

Dass der Lamborghini Revuelto auf Asphalt so ziemlich alles in Grund und Boden fährt, wissen wir. Doch wie schlägt sich der 1.105 PS starke Hyper-Sportler in Arjeplog in Nordschweden nahe des Polarkreises auf das Eis?

Mit 1.015 PS den möglichst niedrigen Reibwert austesten, klingt nicht zwingend wie eine prächtige Idee. „Wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis“, noch so ein Sprichwort, das uns sofort in den Sinn kommt. Wenn der fahrbare Untergrund dann auch noch eine halbe Million Euro kostet, bekommt die Nummer noch einen anderen Beigeschmack.

Wintertests Lamborghini Revuelto 9

Sei’s drum. Wir schwingen uns hinter das Lenkrad und blicken auf die automotive Version eines Cockpits, wie man es von einem modernen Lamborghini erwartet. Nur zur Erinnerung: Der 4,95 Meter Jet aus Sant’Agata Bolognese wird von einem mächtigen 6,5-Liter-V12-Saugmotor und drei Elektromotoren befeuert. Wobei zwei der E-Maschinen die Vorderachse bearbeiten und so bei Bedarf für Stabilität sorgen. Doch die haben wir nicht im Sinn. Heute soll der Blick auf die Strecke so gut und so oft es geht, durch die Seitenscheibe erfolgen. Fliegen hin, arktische Kälte her.

Auf Knopfdruck erwachen die zwölf Töpfe brüllend zum Leben. Ein herrlich sonor klingender Verbrennungstenor, der näher am Bass als am Bariton ist. Da können Komponisten Elektromaschinen noch so viel virtuelle Klänge verpassen, eine solche Seele bekommen sie nie. Zunächst legen wir den brachialen Stier mit dem Strada-Fahrmodus ins Geschirr. So gut es geht. Selbst das zähmende Fahrprogramm kann die Hinterläufe nur schwer im Zaum halten. Jede Bewegung des Gaspedals führt zu einem Zucken. Aber genau das wollen wir ja. Der Lambo soll seinem und vor allem unserem Spieltrieb frönen. Quer ist in diesem Fall das neue geradeaus.

Wintertests Lamborghini Revuelto 7

Also Wechsel in den Sport-Modus, der die Eingriffswut der Systeme wie dem ESP deutlich zurückschraubt und so dem Heck deutlich freieren Lauf lässt. Kaum ist das Fahrprogramm aktiviert, spannt der weiße Stier seine Muskeln. Schon bei der sanftesten Bewegung des Gaspedals schnellt der Drehzahlzeiger nach oben und das Hinterteil meldet sich nachdrücklich zu Wort. Also rauf auf den Stempel und schon befindet sich die neue Windschutzscheibe links neben uns. 

Doch hier ist haptisches Fußsohlenmaß gefragt. Der Lamborghini ist ein sensibles Geschöpf. Sobald das Pedal das Bodenblech küsst, dreht der Hyper-Renner eine Pirouette. Also gemach, gemach. Geschenkt wird einem nichts. Wir lenken mit einer schnellen, aber nicht hastigen Bewegung dagegen. Der 1.847 Kilogramm schwere Italiener reagiert sofort und wir legen einen sauberen Drift hin. Jawohl ja. So muss es sein. Doch bei aller Freude über den gelungenen Stunt ist klar, dass der Schleuderverhinderer ESC und andere Dynamiksysteme die Hand schützend über uns halten.

Wintertests Lamborghini Revuelto 15

Wir wollen aber wissen, wie der Stier in freier Wildbahn reagiert, frei von allen elektronischen Fesseln. Also die Rennstrecken-Einstellung „Corsa“ aktiviert und drei Sekunden auf den ESC-Knopf gedrückt. Jetzt bewegen wir uns ohne Sicherheitsnetz und reizen das gesamte Potenzial des kraftstrotzenden Hyper-Sportlers aus.

Nun sind alle Systeme der Dynamik und Agilität untergeordnet. Wir sind Herr unseres eigenen Schicksals und schnalzen die Fahrstufen des Achtgang-Doppelkupplungsgetriebes selbst hinein. Zweiter Gang reicht. Sofort sind die Muskeln wie bei einem Sprinter angespannt, um bei Bedarf loszustürmen. So erreicht der Revuelto auf Asphalt nach aberwitzigen 2,5 Sekunden aus dem Stand die 100 km/h-Marke. Doch auf Eis verpufft diese brachiale Kraft, wenn man sie nicht dosiert einsetzt.

Wir wissen um diesen Umsatz und lupfen den Fuß beim Eingang der ersten Kurve. Die Reaktion kommt wie aus der Pistole geschossen und das Heck meldet Überholgelüste an. Jetzt heißt es, den Quertreiber mit einem fein dosierten Druck auf das Gaspedal zu stabilisieren und so quer um die Ecken zu zirkeln. Bei aller wilden Entschlossenheit macht es uns der Revuelto leicht und kündigt immer eindeutig an, was er vorhat. Also ist es an uns, den Tanz zu perfektionieren. Der Rhythmus bleibt der gleiche. Jetzt geht es in die andere Richtung, Fuß heben, den Hinterteil-Tango zulassen und die Lastwechsel-Tango zulassen. Die Vorderachse spielt jetzt nur noch eine Nebenrolle. Wieder leicht rauf aufs Gas. Weiter geht die dynamische Querfahrt. Himmlisch. Wenn der Fahrer und die Maschine auch bei so arktischen Temperaturen so harmonieren. Wäre da nicht das Thermometer, hätten wir Kaiserwetter. Die Sonne lacht, der Himmel ist blau und wir wollen gar nicht mehr aussteigen.

TEXT Wolfgang Gomoll

LESENSWERT.
WALTER.