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Rub al Khali. Das leere Viertel.

Gegen den Rub al Khali ist die Sahara ein zivilisierter Ort. Das „leere Viertel“ im Süden der arabischen Halbinsel ist die wüsteste Wüste der Erde. Nur eine Handvoll Expeditionen hat sie bisher durchquert. Mit dem Auto hat es noch niemand geschafft und doch ist sie Teil der Rallye Dakar.

Es ist die schönste Stunde des Tages. Die Kälte der Nacht ist aus dem Boden gekrochen, die Luft ist angenehm warm, eine leichte Brise bringt frische Luft. Die Sonne ist aus der Feuchte des Morgens geklettert und beleuchtet mit vollem Scheinwerferlicht die Ewigkeit. In Millionen Jahren zermahlenes Gestein türmt sich in Wellen bis zum Horizont. Was vielleicht mal solider Granit war, hat der Zahn der Zeit zu winzigstem Quarz zerkaut, dem hier im östlichen Zipfel der Wüste eine Prise Eisen beigemischt ist. Und so leuchten die Dünen am frühen Morgen in gebranntem Orange, das sich mit steigendem Stern ein paar Minuten später zu knalligem Orange und später zu Apricot bis zu blass Rosa wandelt. 

2 Rub al Khali

Bei steigender Wärme ist der Sand noch angenehm kühl, du sitzt da, blickst ins unendlich weite Nichts und wünscht dir in einer Zeitschleife gefangen zu sein, bis die Zeit dich einholt. Zwei Stunden später ist der Wind ist so heiß, dass du glaubst, aus einem Föhn zu atmen. Teatime ist hier schon um zwei, nur dass, das klare Wasser, das dir vor Stunden noch so angenehm kühl durch die Kehle rann, jetzt trüb und heiß ist und nicht nach Darjeeling oder Earl Grey schmeckt, sondern nach Polyethylen.

Nachts unter null, tagsüber bis zu 60 Grad, die arabische Wüste ist ein Pröbchen vom Leben auf dem Mars. Und tatsächlich musst du aus der Zivilisation nur über eine höhere Düne klettern, und schon bist du auf einem anderen Planeten wie zum Beispiel Arrakis, zu sehen in „Dune“ oder noch viel weiter entfernt auf Jakko in den Outer Rim Territories des Alderan-Sternensystems. Klingelt da was? Richtig: Star Wars! Das Erwachen der Macht.

In den Science-Fiction-Filmen gibt es die Fliegen nicht. Tausende der aggressivsten Biester umschwirren dich wie die amerikanischen Torpedobomber die japanischen Flugzeugträger bei Midway. Sie versuchen dir in alle Körperöffnungen zu krabbeln, sodass du kaum Zeit hast dich zu fragen: Wo kommen die alle her? Wovon ernähren die sich? Nur von dem bisschen Mist, dass ein paar verstreute Kamele hier fallen lassen? Vielleicht sind sie einfach nur wahnsinnig aufgeregt über den seltenen Besuch. 

10 Rub al Khali

Der Mensch ist in dieser Weltgegend eine Ausnahmeerscheinung. Wärst du auf einer Reise zum Mittelpunkt der Erde, hättest du hier gerade mal ein tiefes Loch gebuddelt. In der Sahara sind nur 20 Prozent von Sand bedeckt. Der größte östliche Erg in Algerien misst keine 200.000 Quadratkilometer. Die Kalahari im Süden Afrikas packt noch mal 120.000 drauf. Die riesige Taklamakan im Westen Chinas kommt auf 340.000 Quadratkilometer. Ihr Name bedeutet: „Ort ohne Wiederkehr.“ Und jetzt nimmst du das ganze mal zwei und du bist im Rub al Khali.

Von Nord nach Süd misst die Wüste aller Wüsten 500 Kilometer, von Ost nach West 1.300. Deutschland ließe sich in der großen Leere gleich zweimal versenken. Leicht würde einem der Satz herausrutschen: Der Rub al Khali verbände vier Staaten, aber er tut das Gegenteil. Er trennt Arabien vom im Süden liegenden Jemen, dem Oman im Südosten und den Emiraten im Nordosten. 

Die geheimnisvolle Stadt Ubar

Ein arabisches Sprichwort sagt: „Allah hat aus der Wüste alles Überflüssige entfernt, damit wir das Wesen der Dinge erkennen.“ Das Wesen des Automobils ist, dass es dich von einem Ort zum anderen bringt, nur gibt es keine Straße, die hindurchführt. Es gibt nicht mal einen Ort. Mythische Geschichten aus alten Zeiten berichten von der Stadt Ubar an der Weihrauchstraße. Der Sand hat sie sich zurückgeholt, und das schon vor anderthalb Jahrtausenden. Die kläglichen Überreste fand eine britische Expedition vor 30 Jahren, und es brauchte schon ein Raubein der besonderen Sorte, um in diesen abgelegenen Winkel des Oman zu gelangen.

Sir Ranulph Twisleton-Wykeham-Fiennes, Baron von Banbury ist der erste Mensch, der Nord- und Südpol erwandert hat. Vor 20 Jahren absolvierte der „Officer of the Order of the British Empire“ trotz Herzkasper und Bypass-Operation innerhalb einer Woche sieben Marathons auf sechs Kontinenten. Der gelernte Berufssoldat diente eine Weile in den Streitkräften des Sultans von Oman, aber selbst Fiennes reizte es nicht, das Leere Viertel zu durchqueren.

3 Rub al Khali

Die Zahl der Extremisten lässt sich an einer Hand abzählen. Der Engländer Bertram Thomas, auch ein Ex-Soldat im Dienst des omanischen Herrschers durchquerte 1931 auf dem Weg von der Küstenstadt Salalah nach Doha in Katar den Ostteil, der als die harmloseste Route gilt. Thomas marschierte 1.300 Kilometer, darunter aber nur etwa 400 durch das Leere Viertel. Trecking-Spezialisten kalkulieren den Trip mit 60 Tagen.

Der zweite Durchquerer gönnte sich um die 3.000 Kilometer. Harry St. John Bridger Philby, genannt Scheich Abdullah, war Arabist, Schriftsteller und wie sein legendärer Kollege Lawrence von Arabien auch Spion. Philbys Sohn war der berühmte Doppelagent Kim Philby. Als Berater von König Ibn Saud war der Senior in den 30er Jahren nicht nur mit dem Kamel, sondern auch schon mit dem Auto unterwegs. 

Der Einschlag des Meteoriten

1932 suchte der zum Islam übergetretene Brite im Rub al Khali nach der verlorenen Stadt Iram, die, wenn man der 89. Sure des Koran glaubt, einst Gott zerstörte, weil die Bewohner seinem Willen nicht folgten. Philby fand Brocken weißen Sandsteins, schwarzes Glas und dicke Brocken Eisen. Die später analysierten Proben wiesen auffällig hohe Anteile an Iridium auf. Philby hatte nicht Iram gefunden, sondern die Wabah-Krater, wo vor nicht einmal 300 Jahren ein Meteorit einschlug.  „Ein Feuer erschien. Diejenigen, die es sahen, warfen sich zu Boden, bis das glühende Herz vorüber war“, schrieb ein arabischer Dichter. Der Aufprall soll der Hiroshima-Bombe entsprochen haben.

Den Vogel schießt Sir Wilfred Patrick Thesiger ab, der so weise ist, dass er die „kühlen“ Wintermonate für seine Eskapaden wählt. Da wird es nur rund 40 Grad heiß. Auch er, einst Soldat und Entbehrungen gewohnt, sucht der in der Region als Mubarak bin London bekannte Exzentriker 1946 nach Brutgebieten von Heuschrecken, die Arabien immer wieder heimsuchen. Der „Gesegnete von London“ trägt seinen Beinamen zu Recht. Thesiger, der die Kultur der Beduinen erforscht, bleibt von am Rand der Wüste marodierenden Banden unbehelligt, nach 22 Tagen erreichen seine Getreuen mit halb verdursteten Kamelen die rettende Oase Liwa, was ihn nicht davon abhält, durch die gleiche Wüste wieder nach Süden zu ziehen. Kaum wieder an der omanischen Küste, rüstet er eine zweite Expedition mit einer noch größeren Schleife durch den Rub al Khali aus.

8 Rub al Khali

In Liwa, wo auch die Hollywood-Crews gern absteigen, wachsen Dattelpalmen, Obstbäume und Gemüse. Das Wasser stammt von einem Verbund unterirdischer Quellen. Die Oase ist kein einzelner grüner Fleck in der Wüste, sondern ein von Ost nach West verlaufendes fast 100 Kilometer langes Band. Die Oasenkette macht einen erheblichen Anteil der Landwirtschaft der Emirate aus.

Liwa ist nicht nur ein Anziehungspunkt für Urlauber, sondern auch Pilgerstätte. Wikipedia und Touristenportale beten einmütig nach, es gebe im Rub al Khali bis zu 300 Meter hohe Dünen, eigentlich meinen sie vor allem diese eine: Moreeb. Sie ragt 120 Meter hoch aus einer platten Salzpfanne und droht Reisenden wie eine eingefrorene Monsterwelle, die jederzeit auf sie herunterstürzen könnte. Ihr Name bedeutet übersetzt: schrecklicher Berg.

Speedweek für Sand-Freaks

Wenn die Deutschen anfangen, Christstollen zu backen, ziehen die Emiratis frische Stollenreifen auf ihre Jeeps, Buggys und Quads auf. Statt Adventsingen steht das Liwa Festival auf dem Programm, wo mit allem Spielzeug, das einen Motor hat, der „Scary Mountain“ erstürmt wird. Oder auch nicht. Der Neigungswinkel liegt bei 50 Grad. Was als regionaler Insidertreff begann, ist heute eine Speedweek für Sand-Freaks, die 2022 zwei Wochen dauern durfte und bis Silvester ging. Selbstverständlich gehören zum Programm auch Kamelrennen. 

Als das VW-Team zu Beginn des Jahrtausends für den ersten Dakar-Sieg probte, schlug das Feld der UAE Desert Challenge sein Lager noch in Staub und Geröll auf, heute findet sich ein asphaltierter Parkplatz am Fuß der 1.600 Meter langen Düne, ein Stückchen weiter am Nordende einer Crosskart-Piste ein befestigter Landeplatz für sechs Hubschrauber, dazu eine Moschee, ein Supermarkt, ein Café und ein Campingplatz für Familien. Der Zattara Liwa Foodtruck bietet bis vier Uhr nachmittags mediterrane Küche. Den Weg bahnen sich die Besucher-Karawanen nicht etwa durch Dünenfelder. Zum Berg des Schreckens führt vom Oasenzentrum Muzaira eine vierspurige Schnellstraße. 

Früher verdingten sich die Söhne der armen Beduinen-Clans in den Sommermonaten als Perlentaucher an der Küste. Ihre Nachkommen stellen heute die Herrscherfamilien der reichen Emirate Dubai und Abu Dhabi, das nur 120 Kilometer entfernt liegt. Heute leben 20.000 Menschen in den 40 Ansiedlungen des grünen Bandes, dazu kommen die Touristen. Allein beim jährlichen Dattelfestival fallen bis zu 75000 Besucher ein. Aber ehe hier der Anschein gezähmter Wildnis und gediegener Zivilisation entsteht: Bis ins benachbarte Shaybah jenseits der saudischen Grenze fliegt ein Vogel in einer halben Stunde, im Auto dauert die Reise zu einer der größten Erdöl-Raffinerien Arabiens um die acht Stunden. Außer der verbotenen Grenzpatrouillen-Piste gibt es keinen Weg durch das unwegsame Gelände. Und so würden für gewöhnliche Verkehrsteilnehmer aus 40 Kilometern Luftlinie ein Trip von 800 Kilometern.

Die Dakar versucht sich im leeren Viertel

Nach der Rallye Dakar 2022 beklagten sich die Teilnehmer, das größte automobile Abenteuer der Erde wäre zu einem zweiwöchigen Ausflug verkommen. Rallyechef David Castera nahm den Fehdehandschuh auf und schickte das Feld drei Tage durch den Osten des Leeren Viertels, natürlich erst in der letzten Woche, damit alle schon richtig was in den Knochen haben, wenn es ans Eingemachte geht. Ins vom Sand bedingte Zähneknirschen mischte sich beim ein oder anderen auch noch Heulen. Wenn sich das Mopped zum x-ten Male auf einem Dünenkamm bis zur Hinterradschwinge eingebuddelt hat, und sich der weiche Sand in den Unterarmen wie Blei anfühlt. 

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Die Rallye ritt aber auch nur an der Kante der großen Leere entlang, hangelte sich nahe der Grenze zu den Emiraten nach Norden. So richtig mitten durch ist noch kein motorisiertes Vehikel gelangt. Der kanadische Abenteurer Jamie Clarke durchquert zur Jahrtausendwende mit seinem Sohn die Mongolei auf Enduros, bei der ersten Rub-al-Khali-Durchquerung seit 50 Jahren im Jahr 1999 muss er sich nach alter Väter Sitte drei Wochen von Kamelen treten und anspucken lassen. Aber Clarke fällt auf, dass es zumindest im östlichen, sozusagen dem erschlossenen Teil von Reifenspuren von Allradautos wimmelt.

Die ersten Spuren im Sand legen die Amerikaner. „Flight D“ ist Teil der siebten Luftrettungsstaffel der US Airforce und hat 1950 den Auftrag, den der damaligen Reichweite längstmöglichen Flug zu unternehmen. Der führt auf ein abgelegenes Flugfeld bei Dahran am Persischen Golf. Die Post aus der Heimat kommt pünktlich, das Essen ist super, aber die Aufsicht von König Saud lässt alsbald den Offiziersclub „trockenlegen“, schon hat der Spaß ein Loch. 

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Weitere Informationen


Zu allem Überfluss gehören zum Aufgabengebiet der versprengten Truppe Landrettungs-Simulationen. Was in der Theorie harmlos klingt, bedeutet in der Praxis Ausrücken in die Wüste mit zwei 6×6, Diamond T-Trucks und einem 4×4 Dodge-Krankenwagen. Für das schwere Gerät hat der saudisch-amerikanische Ölmulti eigens spezielle Niederdruckreifen für das Fahren im Sand entwickeln lassen. Der rote Truck hat 3.000 Liter Sprit und 200 Liter Öl dabei, dazu Werkzeug und Ersatzteile. Der weiße Laster hat das Essen dabei, einen Generator, Funkausrüstung und 2.000 Liter Wasser. 

Im Juni 1950 machen sich die GIs auf die vulkanisierten Socken, üben an alten Flugzeugwracks Rettungseinsätze und streichen sie als Wegmarken für Piloten gelb an. Die Laster versacken nach plötzlichem Regen in tiefem Schlamm, der sich ruckzuck in Beton verwandelt. In den weichen Dünen sinken sie bis zu den Ladeflächen ein. Die beiden Ersatzräder sind alsbald verbraucht, bei jeder Panne heißt es nun: Rad runter, Reifen runter, Reifen flicken, alles wieder drauf. 

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Manchmal muss die Kohorte für eine der vom Passatwind von Nordost nach Südwest gekämmten Dünen über einen Kilometer schrägen Anlauf nehmen, oft können sich die Dreiachser nur mit der Seilwinde des auf dem Kamm wartenden Dodge nach oben kämpfen. Nach 31 Tagen landet am Nordrand des Leeren Viertels bei Abu Bahr ein Flugzeug und bringt Sprit und Wasser für die halb verdursteten Gestalten. Leutnant Ted Morris soll anschließend den Autoren einer Überlebensbroschüre für Flugzeugbesatzungen nützliche Tipps liefern. Er fasst sich kurz: „Strande nie im Leeren Viertel!“ 

TEXT Markus Stier
FOTOS A.S.O.

LESENSWERT.
WALTER.