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Der Porsche 993 von Jil Sander.

Neun Monate Bauzeit, 252 Änderungen, damaliger Rekord bei Porsche Exklusiv. Jahrelang wusste niemand etwas über den Verbleib des Porsche 993 Carrera 4S von Deutschlands Mode-Ikone Jil Sander, bis der Herr Senn jemanden auf einer Gartenparty traf … Was für eine Geschichte!

Auf den ersten Blick wirft der dunkelblaue 993 den gleichen Schatten an die Wand wie seine Artgenossen. Aber es geht ja schon bei dem Wort Dunkelblau los. Das sieht zwar aus wie Dunkelblau, ist aber ein Glasurit-Sonderlack von Rolls-Royce zu 550 DM der Liter: Black Saphire. 1998 kam Jil Sander mit ihrem persönlichen Berater Eike Bertram ins Porsche-Zentrum Hamburg Nord-West zum damaligen Geschäftsführer Wilfried Hallier. Halt. Schon wieder falsch. Natürlich kam Hallier zu Jil Sander nach Hause in ihre imposante Villa an der Hamburger Milchstraße. Ortskundige wissen: das bescheidene Anwesen liegt direkt an der Außenalster, außer Wolfgang Joop und einigen Botschaften hatte man da keine Nachbarn mehr. Wilfried Hallier kannte Jil Sander damals schon gut, er hatte ihr bereits einige Autos verkauft.

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Aber der Wunsch nach diesem neuen 993 4S toppte nun alles bisher Dagewesene einer nicht gerade kurzen Liste von Dagewesenem. Eike Bertram war dabei, als Jil Sander ihren 930 Turbo verkaufen musste (Sanders Bruder hielt den Wagen für zu gefährlich und wollte, dass sie einen SL fährt) und mit Tränen in den Augen hinter der Gardine stand, als der Wagen abgeholt wurde. Das hat er nie vergessen. Die Chefin so leiden zu sehen, war nicht schön. Und so reifte Jahre später die Idee, einen der letzten luftgekühlten Porsche ganz nach ihren Vorstellungen, Werten und Qualitätsansprüchen bauen zu lassen. Bertram plante den Wagen bis ins kleinste Detail, stellte ihr verschiedene Modellautos in unterschiedlichen Lackierungen vor und vieles mehr.

Ein ganzer Ordner mit Veränderungen wurde zusammengestellt, was denn an diesem Auto nun anders bestellt werden sollte, als es irgendeine Zubehörliste jemals vorgesehen hatte. Aber dafür gab es ja Porsche Exklusiv. Und Herrn Hallier als Chef des Porsche-Zentrums.

Ich höre aber schon erste Stimmen, die sagen: „Hä, was soll denn an dem 993 anders sein? Ich seh‘ nix!“.

„Das war Jil Sanders Motto: Weniger ist mehr!“, so Hallier. Höchste Qualitätsansprüche, größtmöglicher Luxus, aber ebenso schlicht wie möglich. So waren ihre weltberühmten Mode-Kollektionen, so sollte auch ihr Auto werden.

Hallier erinnert sich: „Ich kann das gar nicht alles aufzählen, was an diesem Auto alles ermöglicht wurde. Fangen wir mal an: Lackierung des Wagens in Rolls-Royce Black Saphire. Das geht ja noch. Aber dann: auch die silbernen Felgen wurden lackiert. In Silber. In Rolls-Royce Silber!“

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Ok, wow. Das ist also dieses Luxus-Understatement. Ein Farbton, den nur die Designerin erkennt. Aber sie weiß eben, dass er da ist. Für jeden anderen Verkehrsteilnehmer ist das einfach Felgensilber. Beim Saphir Schwarz-Metallic versteh‘ ich es schon eher: Diese Farbe sieht in jedem Licht anders aus. Oft dunkelblau, aber eben auch mal schwarz, und je nach Licht geht’s auch mal ins Grün oder Lila, was am Goldflitter im Lack liegt.

„Das schwarze Leder für den Innenraum ließ Frau Sander persönlich bei Porsche im Werk anliefern und der gesamte Wagen wurde vollständig geräuschgedämmt“, so Hallier weiter. „Aber ich geb‘ Ihnen einfach mal die Nummer von Herrn Bertram: Der hat alle Unterlagen zu diesem Auto noch zu Hause.“

Wow. Das klingt nach einem interessanten Telefonat. Und das wurde es auch. Eike Bertram ist ein Autonarr. Und Perfektionist. Das hört man vom ersten Satz an.

„Ich habe alles zu diesem Auto, einen riesigen Ordner mit allen Änderungsideen, Bestellung, Rechnung, einfach alles. Ich hab‘ damals für Frau Sander dieses Auto konzipiert. Der Mann, mit dem ich zusammengearbeitet habe bei Porsche Exklusiv in Stuttgart war Frieder Gamm. Neun Monate hat die Produktion des Wagens gedauert, die ich komplett begleitet habe. Es sollte ein perfekt auf Frau Sander zugeschnittener Wagen werden, der mit ihren Maximen übereinkommt! Natürlich habe ich ein bisschen unterschätzt, wie kompliziert manchmal die Zusammenarbeit mit einem großen Werk sein kann. Das Auto weist schließlich 252 Veränderungen auf, so etwas gab es vorher noch nie bei Porsche!“

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Ok, krass. Da steht also nicht nur ein berühmter Name im Brief, wie es bei vielen Porsches vorkommt. Das hier ist ein Porsche, der in der Exklusiv-Abteilung alle Rekorde geschlagen hat.

Bertram weiter: „Alles, was Individualisierungen waren, habe ich direkt im Werk angeliefert. Den Glasurit-Lack Nr. 97 von Rolls-Royce genauso wie das Naturleder mit dem zufälligen Namen „Lavalina 911 grobe Struktur“. Das war ein durchgefärbtes Leder, nicht billig lackiert wie heute. Handschuhweich! Das wollte Porsche erst gar nicht verarbeiten, weil es nicht auf ihre Haltbarkeitsstandards geprüft war. Da mussten wir Überzeugungsarbeit leisten. Brabus hat das Leder später übrigens auch verwendet, wie ich erfahren habe.“

Und das feine Leder wurde auch vollständig im Wagen verteilt. Wer dachte, er hätte schon mal eine Volllederausstattung gesehen, der irrt reichlich. In diesem 993 ist wirklich alles (in Worten: ALLES) mit Leder bezogen. Jeder Hebel, jeder Schalter, alles wurde beledert und im Nachhinein mit den nötigsten weißen Beschriftungen oder Prägungen versehen.

„Allerdings wirkte das Leder mit dem normalen Garn, welches bei Porsche zur Verfügung stand, überhaupt nicht. Da war nichts zu finden, was wir gut fanden. Ich hab‘ dann letztlich bei einem Hersteller das Garn in einer zur Außenlackierung korrespondierenden Farbe einfach produzieren lassen. Es musste natürlich eine riesige Menge abgenommen werden, was allein durch die Produktionsdauer die Bauzeit des Wagens um zwei Monate verlängert hat. Und Porsche wollte dann diesen Faden nicht verarbeiten, weil er nicht auf Brandschutz geprüft war. Das war uns aber egal, wir haben dann auf die Gewährleistung verzichtet“, so Eike Bertram.

Einen Faden produzieren lassen. Versteht man mich jetzt, warum dieser Porsche einer der einmaligsten Porsche ist, der die Hallen je verlassen hat? 252 Änderungen und fast keine sieht man davon.

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Bertram: „Ich habe das Auto nach der ersten Lackierung nicht abgenommen. Damals waren die Autos noch handlackiert und man musste das Auto ja immer wieder aus der Produktion herausnehmen. Er sollte nach der Lackierung noch einmal komplett poliert werden, aber ich hab‘ die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, als ich den Wagen sah. Das war nur bis zur Hüfte fein, aber unterhalb war es schlimm. Ich dachte erst, das wäre ein Fehler, aber das war bei 90 Prozent der Autos in der Auslieferungshalle so. Das war nur noch nie jemandem aufgefallen. Die Lackierer haben sich einfach nicht gern gebückt. Darum war nach unten die Lackdichte viel geringer. Und jetzt stellen sie sich vor, da kommt ein Verrückter aus Hamburg und legt sich in der Halle auf den Boden. Die hielten mich natürlich für einen Irren, haben es dann aber eingesehen. Und dann wurde der Lack noch einmal komplett erneuert.“

Nachfolgende Porsche-Kunden dürfen jetzt hier einmal ihren Dank aussprechen!

„Kleine Anekdote noch zum Kennzeichen: Ich hatte Frau Sander vorgeschlagen, dass wir HH JS 993 nehmen. Allerdings war das Kennzeichen natürlich vergeben. Dann haben wir über Beziehungen den Halter ermittelt und ihm das Kennzeichen abgekauft“, so Bertram schmunzelnd.

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Hallier: „So ein 993 4S war ja Ende der 90er schon nicht gerade günstig, aber in dieses Auto sind am Ende allein bei Porsche 70.000 DM an unauffälligen Veränderungen eingeflossen, die Kosten für das angelieferte Material gar nicht eingerechnet! Und es freut mich sehr, dass der Wagen jetzt wieder aufgetaucht ist! Wir haben ihn 2006 im Porsche-Zentrum weiterverkauft, aber danach hat sich die Spur eigentlich verloren.“

Und da kommen wir zur nächsten Besonderheit der Geschichte. Der Herr Senn stand vor Kurzem auf der Gartenparty eines guten Freundes, als der Gastgeber meinte: „Tom, ich stell‘ Dir mal den Gunnar vor, der sucht gerade ein Käfer Cabrio, vielleicht kannst Du ihm ja helfen. Der hat auch noch andere schöne Autos!“

Gunnar Thielmann war diese Anmoderation schon nicht recht, er ist ein sehr zurückhaltender und hanseatisch bescheiden auftretender Vertriebsbeauftragter einer Elektrogroßhandlung. Gute Manieren, gute Erziehung, da plappert man doch nicht auf Partys über seine Autos. Musste er aber. Da bin ich streng. „Jooooaaa, na gut, ich hab‘ ein 1970er-F-Modell als Targa, ein G-Modell Cabrio und einen 993.“ Pause. Stille. Gunar überlegt. Soll man das sagen? Pause. Weitere Pause. „Der hat mal Jil Sander gehört.“ Alle Antennen auf Empfang beim Herrn Senn. „Bitte? Du hast DEN 993 von Jil Sander? DEN?“

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Und zack: waren wir Freunde. Und haben uns jetzt getroffen, um diesen Mythos-Porsche live zu erleben. Ja, er ist absolut unauffällig. Und der 911er auch. Aber eben nur auf den ersten Blick. Gilt auch für beide. Denn bei unserem Gespräch stellt sich raus, dass Gunnar seit Schulzeiten mit Dr. Eric Brandenburg befreundet ist. Ihr wisst schon, der wilde Doc mit den Safari-Porsches, die mittlerweile auch schwimmen können. Da ist es klar, dass man einen Porschebezug bekommt.

Gunnar hatte mit 18 schon Eric hier und da geholfen beim Aufbau seines ersten 911ers, mit dem sie kurz nach Fertigstellung gemeinsam einen schweren Unfall 100 Meter vor der Schule hatten. Eric lag lange im Koma, Gunnar hatte nur ein dickes Knie, weil er sich glücklicherweise an der Tür festgehalten hatte, als diese beim ersten Aufprall an einem Baum herausgerissen wurde und Gunnar eben mit aus dem Auto katapultierte.

„Schreib das nicht, ich bin doch total unwichtig. Das ist mir gar nicht recht. Können wir nicht einfach nur über das Auto sprechen und Du lässt mich da raus?“, so der bescheidene Hamburger. Aber: leider nein, Gunnar. Menschen lesen gern was über Menschen! Also sag: wie kamst Du zu 911ern und zu diesem sehr speziellen?

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„Mein Vater fuhr zeitlebens nichts anderes als 911er. Da hatte ich keine Chance. Und durch den Kontakt zu Eric und dem frühen Schrauben an diesen Autos bin ich natürlich Fan geworden. Mein erstes Auto war dann auch ein … … … roter 40 PS-Polo! Es hat sehr lange gedauert, bis ich mal gesagt habe, ‚jetzt gib mal Geld aus für Spaß!‘ Bis dahin bin ich immer nur langweilige Firmenautos gefahren. Zum Jil Sander-993 hatte ich zum ersten Mal 2006 Kontakt, als mein Chef ihn bei Porsche in Hamburg gekauft hat. Der war da einfach inseriert und ich hab‘ meinen Chef begleitet. Und konnte leider nicht verhindern, dass er beim Kauf die Einstiegsleisten mit Jil Sander-Schriftzug gegen ganz normale Carrera-Leisten hat tauschen lassen.“

„Das hat er gemacht? DAS. HAT. ER. ALLEN. ERNSTES. GEMACHT?“

„Ja, fand er doof. Er wollte letztlich einfach einen Porsche haben. 19.000 Kilometer hatte er damals erst gelaufen. Tja und nach fünf Jahren konnte ich dann das Auto übernehmen und halte es jetzt in Ehren.“

Aber nicht, dass Ihr denkt, der Wagen wäre nur eine Wertanlage und würde irgendwann vielleicht verkauft werden. Nein. „Ich kann ganz schlecht Autos verkaufen“, so Gunnar. Und was macht man jetzt mit so einem Auto? „Es fahren und sich drüber freuen!“

Soooooo wollen wir das hören. Guter Gunnar.

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Und vielleicht haben wir bald eine schöne Überraschung für Dich, Gunnar: Herr Bertram ist bereit, sich mit Dir zu treffen und Dir die ganze Geschichte zu erzählen und alle Unterlagen mitzubringen. Da ist auch noch der Auftrag für das Garn dabei und natürlich noch ein paar Rollen Faden …

PS: Das Käfer-Cabrio hab‘ ich Gunnar zwischenzeitlich vermittelt. Von einem WALTER-Abonnenten. Natürlich. Aber das wird bald eine andere Geschichte. Ihr lest es dann ja hier …

PPS: Nachricht an Porsche: der Faden hat bis heute nicht gebrannt und ist in tadellosem Zustand.

TEXT und FOTOS Thomas Senn, zuerst erschienen in WALTER #18

LESENSWERT.
WALTER.