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VW Phaeton. Von wegen Volkswagen.

Ferdinand Piech hatte einen Traum – und Gerhard Schröder auch. Der eine wollte die beste Limousine aller Zeiten bauen und der andere nahezu zeitgleich Bundeskanzler werden. Weil das eine zum anderen kam, wurde der VW Phaeton so grandios wie er war. Und kaum einer erkannte es.

In die Liga der Luxuslimousinen einzufallen, ist bekanntlich alles andere als einfach. An der Mercedes S-Klasse und dem Siebener BMW beißen sich die Konkurrenten aus dem In- und Ausland seit Jahr und Tag schmerzhaft ihre Zähne aus. Staatsoberhäupter, Könige, Stars und solche, die es meinen zu werden, lassen sich im luxuriösen Fond von einer beiden Limousinen durch die weite Welt chauffieren. Audi war der erste Europäer, der ernsthaft aufgebehrte und das Duett zu einem exklusiven Triumvirat werden ließ. Modelle wie ein Jaguar XJ, Cadillac DTS / STS, Maserati Quattroporte oder ein Bentley Flying Spur haben fraglos allesamt ihren luxuriösen Charme – fahren in Sachen Ansehen und Stückzahlen in der Luxusliga jedoch deutlich hintenan.

VW Phaeton 13

Genau das sollte beim VW Phaeton nicht so sein. Der edelste, hochwertigste und luxuriöseste aller Volkswagen entstand gedanklich Mitte der 90er Jahre. So grandios ersonnen, dass man zunächst keinen Namen finden konnte, der den erlauchten Status nur annähernd hätte ausdrücken können. Anfang hieß das Projekt D1 und die Ende der 90er vorgestellte Studie des Concept D1 sollte etwas Großes ankündigen.

Später wurde dem Serienmodell der Name des Sonnengottes Helios verliehen; eine Modellbezeichnung, die in der Vorkriegszeit bereits von einigen besonders exklusiven Reisewagen von Horch oder Packard getragen wurde. An die alten Zeiten erinnerte beim Phaeton nicht nur die Modellbezeichnung, sondern auch Details wie die hinterleuchteten Kennzeichen, für die es eigens eine Ausnahmegenehmigung gab. Beim Phaeton war zumindest am Anfang nur das Beste gut genug. Daher war auch nicht daran zu denken, dass das Vorzeigemodell der Wolfsburger in einer schnöden Fabrik vom Band plumpsen sollte.

VW Phaeton 23

So wurde zu Zeiten des automobilen Überflusses mit gigantischem Aufwand die Gläserne Manufaktur Dresden erschaffen, in der der VW Phaeton nach Zwickauer Vorarbeiten in aufwendiger Handarbeit entstand. Die Werker trugen während der Fertigung, die mehr einer Oper, denn einer Fahrzeugproduktion glich, zumeist weiße Handschuhe und die Karossen bewegten sich auf führerlosen Arbeitsinseln nahezu geräuschlos über das Tanz- und Produktionsparkett in der Sachenmetropole.

Der VW Phaeton sollte der weithin entfleuchten Mercedes S-Klasse, dem mehr und mehr aufstrebendem BMW 7er und wohl auch dem verwandten Audi A8 in seiner zweiten Generation zeigen, was eine echte Luxuslimousine aus deutschen Landen ist. Das war der VW Phaeton allemal, denn seine Fertigungsqualität war abgesehen von kleinen Anfangspannen grandios. Die Konkurrenz nahm den Luxus-Volkswagen anerkennend auseinander und war mehr angetan. Viele zweifelten, ob man mit so einer Fertigungsqualität selbst in der Luxusklasse Geld verdienen konnte.

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Angesichts der winzigen Stückzahlen wohl ein Wunschtraum, denn zwischen Ende 2001 und Anfang 2016 wurden in 15 Jahren kaum mehr als 80.000 Fahrzeuge gefertigt und das Imageprodukt wurde zu einem Groschengrab. Ursprünglich hatten die Volkswagen-Verantwortlichen mit 20.000 bis 30.000 Phaeton pro Jahr gerechnet. Stark gestützt wurde es nur ein Bruchteil dessen. Auch, weil der Phaeton in den USA grandios floppte und nach wenigen tausend Verkäufen vom Markt genommen wurde. Einzig In China waren die Verkäufe gerade zum Ende der 2010er Jahre vergleichsweise stabil. Hier half dem Luxusmodell, dass Volkswagen von vielen Chinesen als Premiummarke aus Deutschland eingestuft wurde. Ein Plan, der speziell in Europa niemals aufging. 

Der Kanzler fährt plötzlich VW 

Offiziell gab es den VW Phaeton in zwei Radständen von 5,05 und 5,18 Metern Länge. Gerhard Schröder, mittlerweile Bundeskanzler mit engsten Verbindungen in den Volkswagen Konzern, hatte die gepanzerten Mercedes S-Klassen, mit der die Bundeskanzler sonst immer unterwegs waren, in gepanzerte Protect-Einzelstücke des Phaeton ausgetauscht, von denen viele noch lange nach seiner Ablösung ihren Alltagsdienst verrichteten. Immer wieder tauchte das Dresdner Luxusmodell zu seinem Produktionsstart werbeträchtig bei offiziellen Auftritten von Gerhard Schröder im Hintergrund auf.

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Geholfen hat es dem teuersten Volkswagen aller Zeiten nicht. Die überschaubaren Stückzahlen schraubten sich immerhin in die genannten Höhen, weil Volkswagen als Volumenmodell schließlich den 233 PS starken Dreiliter-Diesel in der obligatorischen Verbindung mit Allradantrieb und sechsstufiger Getriebeautomatik anbot. Vorher hatte insbesondere der raue, aber grandiose V10 TDI von sich reden gemacht, der 313 PS mit gigantischen 750 Nm maximalem Drehmoment kombinierte. So etwas hatte kein anderer Hersteller im Angebot. Doch dem Hightech-Triebwerk ging wegen alles strenger Abgasnormen 2006 die Luft aus, denn der technische Aufwand, ihn mit einem Partikelfilter in die Schadstoffklasse Euro 4 zu bringen, war angesichts der homöopathischen Verkaufszahlen in Europa zu groß.

Schlapper V6 Motor

Überhaupt war das Motorenportfolio des VW Phaeton überraschend zerklüftet. Anfang gab es so sinnfreie Varianten wie den schlappen 3,2-Liter-V6-Saugmotor, der schon in anderen Volkswagen Modellen nicht überzeugen konnte. 241 PS, wenig Drehmoment und wahlweise Front- oder Allradantrieb fanden dann weder als Handschalter noch als Automatikversion irgendwelche Kunden. Das ein oder andere Modell wurde in den Behördendienst gedrückt und so konnten sich die Fahrer von Landesregierungen oder Organisationen über eine zugfreie Klimaautomatik und verschiedene Hightech-Ausstattungen wie Abstandstempomat oder Totwinkelassistent freuen. Im Ausland tat sich der VW Phaeton – zumeist als 4,2 Liter großer V8 oder 6,0 Liter W12 – trotz der Antriebsgene des Audi A8 schwer. Das Topmodell mit seinem 450 PS starken W12 war in Europa ebenso rar gesät wie der Achtzylinder.

VW Phaeton 7

Dabei war das Komfortniveau im VW Phaeton bereits in seiner ersten Generation mehr als beeindruckend. Auf Wunsch gab es wie bei der erlauchten Konkurrenz nicht nur langen Radstand, sondern auch eine fondorientierte Einzelsitzanlage mit zunächst zentralem Mittelbildschirm, Telefon und Luxussesseln mit Massage und Klimatisierung, während elektrische Rollos rundum und verdunkelte Scheiben die interessierten Blicke der Umgebung aussperrten.

Die Zahl der Modellpflegen erscheint rückblickend nahezu ungezählt. Immer wieder wurde dem VW Phaeton nachgebessert. LED-Licht, neue Lichtsignaturen und kleine Karosseriedetails konnten allerdings nicht verschleiern, dass sich der Nobel-Volkswagen an sich nie ernsthaft veränderte. Die letzte Modellpflege 2011 spendierte ihm letztliche neue Assistenzsysteme, mit denen das Flaggschiff zur Konkurrenz aufschloss, aber nicht überholte. So gab es fortan Kurven-, Abbiegelicht, dazu Abstandstempomat, Spurwechselassistent und eine Verkehrszeichenerkennung, die nicht nur das Tempolimit, sondern auch Überholverbote und zeitliche Begrenzungen lesen konnte. Doch im Gegensatz zur imageträchtigeren Konkurrenz blieben technische Details wie Nachtsichtgerät, Head-Up-Display oder Voll-LED-Licht bei dem einstigen Innovationsträger außen vor.

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Mittlerweile dümpeln nicht mehr so viele VW Phaeton auf den Höfen namenloser Fähnchenhändler vor sich hin, sondern gerade die Luxus-Benziner mit Topausstattung und geringer Laufleistung werden begehrter. Die Diesel haben angesichts der Schadstoffnormen nur im Ausland eine Chance. Die Qualität wird geschätzt, während das Renommee auch weiterhin fehlt und die Wartungskosten üppig sind.  

Der bereits zu großen Teilen entwickelte Nachfolger wurde Mitte der 2010er Jahre schließlich gestoppt, um weitere Kosten zu vermeiden und eine erneute Pleite vor Marktstart zu verhindern. So gibt es heute nur noch in China mit dem VW Phideon ein Luxusmodell von Volkswagen in der Luxusklasse. 

TEXT Stefan Grundhoff

LESENSWERT.
WALTER.