Sobald der Drehzahlmesser die 4.000er-Marke knackt, ändert sich alles. Begleitet vom Pfeifen des Turboladers, schiebt der 1.140 Kilogramm schwere Porsche 930 plötzlich an, als ob es kein Morgen mehr gäbe. Der Vortriebs-Hammer kommt urplötzlich und dann gibt es kein Halten mehr. Der Speed, mit dem die ungefilterte brachiale PS-Wut über den Asphalt hereinbricht, hat Suchtpotenzial.
Aber der Porsche 930 Turbo kann auch anders. Beeindruckend, wie präzise sich der 49-Jahre alte 911er bewegen lässt. Schon bei dieser Baureihe spürt man die Elemente des Sportwagenfahrens die einen Porsche bis heute definieren: klare Kommunikation zwischen Mensch und Maschine.
Hier ist Autofahren noch pure unverfälschte Arbeit und ist nicht verwässert durch eine Armada von Assistenzsystem. Alles was der Fahrer macht, hat Auswirkungen. Nichts ist mit weichgespülter Lenkradhydraulik und auch die Bremse ist abhängig vom Oberschenkelmuskel des Fahrers. Schließlich sitzen wir in einem frühen 930er, die Nummer 25 von 30 gebauten Exemplaren. Gut zu erkennen an dem im Vergleich zu späteren Modellen kleineren Heckspoiler. Die Lackierung heißt Ice Green.
„Du trittst heute aufs Gas und morgen passiert was“, beschreibt Walter Röhrl das, was landläufig Turboloch genannt wird.
Die Kombination aus geringem Gewicht und dem 260 PS starken Motor katapultierte den 930er auf Anhieb in die Liga der Supersportwagen. Die Fahrleistungen sind dementsprechend: Nach 5,5 Sekunden flog der Tachozeiger an der 100-km/h-Marke vorbei und die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h machte den Porsche zum Alphatier.
Konkurrenten wie der Ferrari 365 GT/4 oder der Lamborghini Countach LP 400 haben dank der Zwölfzylinder-Power oben heraus etwas mehr Punch, schleppen aber auch mehr Gewicht mit sich herum. Bei kurvigen Strecken und im Antritt zeigte der leichtfüßigere Zuffenhausener dem Rest wo es lang geht. Nicht reine Kraft ist entscheidend, sondern die Agilität gepaart mit einem Komfort, der auch lange Strecken nicht zu einer Tortur werden lässt. Das fängt bei der Sitzposition an und hört bei der Fahrwerksabstimmung auf. Kurz: Alltagstauglichkeit.
Auch an das monströse Turboloch gewöhnt man sich. Nein, man muss nicht am Scheitelpunkt einer Kurve Gas geben, um den Schub am Kurvenausgang zu genießen. Besser ist es, den Dreiliter-Boxer-Motor mithilfe der Viergang-Handschaltung bei Laune sprich Drehzahlen zu halten. Wenn im Apex 3.500 Umdrehungen anliegen und man nicht wie ein Berserker auf das Gaspedal huft, ist alles wunderbar. Schließlich erreicht der Dreiliter-Boxer erst bei 5.500 Touren sein Leistungszenit. Trotz eines Turboladers. Lupft man den rechten Fuß, knallt der Sechszylinder derart knochentrockene Schüsse durch die Auspuffrohre, dass man zunächst an einen Reifenplatzer glaubt.
Wehe, man lässt sich vom Rausch der Akustik und der Geschwindigkeit mitreißen, dann zeigt sich der Porsche 930 Turbo von seiner harten, unberechenbaren Seite. Dann mutiert der kultivierte Dr. Jekyll zum wilden Mister Hyde und das Heck entwickelt schlagartig ein Eigenleben, dass einem Hören und Sehen vergeht. Gerade im zweiten Gang, der so wunderbar zu vielen Straßenpassagen passt, ist Feingefühl gefragt – in Fuß und Hand.
Egal wie. Zickig oder nicht: Der Porsche 930 Turbo ist eine Legende. Er ist der Urvater der Zuffenhausener Top-Modelle. Mit Rennsportgenen ausgestattet, lief dieser 911er von 1974 bis 1989 vom Band. Andere mögen mehr Power haben, aber bei diesem Porsche 911 Turbo stand seit jeher die Fahrbarkeit im Vordergrund und nicht die möglichst hohe PS-Zahl. Daran hat sich bis heute nichts geändert.
TEXT Wolfgang Gomoll