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Dr. Ferdinand Piёch. Abschied von Mr. Quattro.

Ferdinand Piёch, der Mann hinter den Rallyeerfolgen von Audi, ist gestorben.

Er galt als der letzte Patriarch der Automobilindustrie – mit allen positiven und negativen Seiten, die ein solcher Titel mit sich bringt. Ferdinand Piёch, der Ende August im Alter von 82 Jahren gestorben ist, machte aus Audi eine Hightech-Marke und führte Volkswagen aus dem Beinahe-Bankrott an die Weltspitze. Unter Piёchs Regie, ab 1993 als Vorstandsvorsitzender, von 2002 bis 2015 als Vorsitzender des Aufsichtsrates, wuchs Volkswagen zu einem Multikonzern heran, der vom Motorrad über Kleinwagen bis zum Supersportwagen und sogar Lkw alle Industriezweige bedient und mit Toyota um die Position des weltgrößten Herstellers kämpft.

Als Enkel des legendären Ferdinand Porsche, und damit Mitglied eines der mächtigsten und reichsten Familienclans der Welt, schreckte Piёch vor niemandem zurück. Legendär war seine Art, selbst höchste Angestellte durch scheinbar lapidare Bemerkungen – „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“ – zu demontieren. Die von ihm geschaffene Kultur des Managements, vom Magazin „Der Spiegel“ einmal als „Nordkorea, nur ohne Arbeitslager“ bezeichnet, machte aber auch manchen Skandal erst möglich, auch den um manipulierte Software in Dieselmotoren.

Im Laufe seiner Karriere hat der in Wien geborene und nach Angaben seiner vierten Frau Ursula dreizehnfache Vater Piёch auch den Motorsport entscheidend geprägt. Schon seine Diplomarbeit an der Technischen Hochschule Zürich schrieb er über die Konstruktion eines Formel-1-Motors. Als Cheftechniker bei Porsche setzte er den unglaublichen Typ 917 durch, der die Marke zwar beinahe in den Ruin trieb, mit dem ersten Sieg beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans aber auch den Weg der Marke zum Mythos ebnete.

Als der Familienrat 1972 nach internen Querelen beschloss, dass kein Porsche oder Piёch mehr im operativen Geschäft des Unternehmens tätig sein dürfe, machte sich Ferdinand Piёch zunächst mit einem Konstruktionsbüro selbstständig. 1973 startete er bei Audi, wo er schließlich bis zum Technikvorstand aufrückte. Seine Aufgabe war es, das angestaubte Image der Marke aufzupolieren.

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Piёch baute seine Strategie auf mehreren Säulen auf. Er entwickelte einen leistungsstarken Fünfzylinder und setzte auf Turboaufladung mit Ladeluftkühlung zur weiteren Leistungssteigerung. Er revolutionierte die Karosseriefertigung mit Leichtbauverfahren und erhöhte die Insassensicherheit durch innovative Konstruktionen wie Procon-Ten – ein früher Vorläufer der heutigen Presafe-Systeme.

Und schließlich überzeugte Piёch seinen Vorstand, dass Vierradantrieb ein cleverer Schachzug sei, sich von den jetzt ins Visier genommenen Konkurrenten Mercedes und BMW abzugrenzen. Allrad nicht fürs Gelände, sondern zur sicheren Umsetzung hoher Motorleistung – das war seine Botschaft.

Um das Potenzial der auf den griffigen Namen Quattro getauften Antriebstechnologie bekannt zu machen, wählte Piёch den Rallyesport. Dumm nur, dass dort Allrad gerade verboten war. Es bedurfte geschickter Winkelzüge von Piёchs Abgeordneten in den Gremien des Weltmotorsportverbandes FISA, um dieses Verbot zu kippen. Was tatsächlich gelang. Die Offiziellen hatten wohl so etwas Harmloses wie den von Audi konstruierten Rallye-Dakar-Sieger Iltis vor Augen, während in Ingolstadt unter größter Geheimhaltung eine Boden-Boden-Rakete entwickelt wurde. Als der Urquattro 1981 am Start der Rallye Monte Carlo stand, in vollem Ornat mit Fünfzylinder-Turbomotor und Vierradantrieb, war die Büchse der Pandora geöffnet. Eine neue Ära im Rallyesport hatte begonnen.

Wie geplant, verpasste der Quattro dem Markenimage von Audi mittels Rallyesiegen und Weltmeistertiteln einen gewaltigen Schub. Doch wie so häufig, fraß die Revolution ihre Kinder. Vor allem Peugeot und Lancia tanzten Audi mit eigenen Turbo-Allradlern bald auf der Nase herum. Was Piёch kritisierte: Die Gruppe-B-Monster der Konkurrenz hatten deutlich weniger technische Verwandtschaft zu Serienfahrzeugen als der Quattro. Die Lücke klaffte von Jahr zu Jahr weiter, parallel dazu hatte das Audi-Werksteam immer weniger Erfolge zu feiern.

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Gerade als Piёch über einen Ausstieg nachdachte, läuteten tödliche Unfälle mit Aktiven und Zuschauern das Ende der Gruppe B ein. Die als Nachfolgeserie angekündigte Gruppe S, für die Audi ein Fahrzeug beinahe fertig hatte, beerdigte die FISA gleich mit. Die schließlich ab 1987 zur Topliga erklärte Gruppe A entsprach ironischerweise Piёchs Forderung nach mehr Seriennähe. Doch in dieser Kategorie hatte Audi mit dem Schlachtschiff 200 Quattro – abgesehen von den brutalen Rallyes in Afrika – nicht wirklich Chancen gegen Leichtfüße wie den Lancia Delta Integrale.  

„Dass Allrad auf Schotter und Schnee funktioniert, haben wir bewiesen. Jetzt ist Asphalt dran“, sagte Ferdinand Piёch in einem Interview zum Audi-Rückzug aus dem Rallyesport mit RallyeMagazin-Mitarbeiter Martin Holmes. Die Marke propagierte den Quattro-Antrieb fortan in der Deutschen Tourenwagen-Meisterschaft (DTM) und der amerikanischen IMSA-Serie. In beiden Fällen mit Erfolg. Als Piёch 1993 Ingolstadt in Richtung Volkswagen verließ, war Audi technisch und imagemäßig auf Augenhöhe mit Mercedes und BMW.

Die Entwicklung des Polo WRC verfolgte er aus nächster Nähe.

Gut zwanzig Jahre später, Piёch war inzwischen Vorsitzender des Aufsichtsrats in Wolfsburg, holte den zum „Automobilmanager des 20. Jahrhunderts“ gewählten Ingenieur der Rallyesport noch einmal ein. 2012 entwickelte Volkswagen Motorsport den später viermaligen Weltmeister Polo WRC. Mit den Entscheidungen hatte Ferdinand Piёch längst nichts mehr zu tun. Die Genesis des Polo WRC verfolgte er trotzdem aus nächster Nähe – inklusive Taxifahrt an der Seite von Andreas Mikkelsen kurz vor der WM-Premiere.  

TEXT Christian Schön       

LESENSWERT.
WALTER.