Instagram drehte völlig hohl an dem Tag, als Chris Labrooys Kunstwerke mit einem zwischen zwei Häusern abgestürzten Carrera RS und zwölf in einem Pool abgetauchten 911ern auftauchten und sich wie ein Lauffeuer verbreiteten. Seine Bilder waren einfach zu echt, die Menschen hielten sie für tatsächliche Installationen. Und wurden bald verrückt. Wie konnte man so etwas nur solchen Autos antun? Darf der das? Was stimmt mit dem nicht?
Wie immer im Internet: die Antwort oder gar die Wahrheit hat wieder kaum einen interessiert. Darum haben wir mit dem studierten Master of Product Design in Schottland mal persönlich gesprochen. Denn er ist kein Kid, dass mal eben die künstliche Dummheit angeworfen hat. Nein. Chris zählt noch zur Sorte „Menschliche Intelligenz“, hat das alles gelernt und studiert und kann sowas selbst erzeugen. Ich glaube, Künstler ist das Wort für einen solchen Menschen.
Chris, sag: wie lebt es sich in Deiner ganz eigenen Welt aus Realismus und Surrealismus? Und wie nimmt die andere Welt das wahr?
Ich habe tatsächlich neben den vielen Kommentaren auf Social Media auch viele E-Mails von Leuten erhalten, die dachten, dass meine Bilder Fotos von echten Installationen seien. Sie wollten wissen, wo sie sie besichtigen können. Ich musste ihnen dann aber sagen, dass nichts davon echt ist. Ich halte nicht fest, was ICH mit einer Kamera sehe, sondern erschaffe alles selbst, was IHR seht. Es ist meine reine Vorstellungskraft, und daher kommen auch die surrealen Themen.
So sieht es also aus in Deinem Kopf. Interessant. Wie machst Du die Bilder?
Mein Werkzeug ist CGI, Computer Generated Images. Mit 3-D-Programmen kann CGI ein fotorealistisches Gefühl in den Bildern erreichen, obwohl jedes Pixel digital von mir erzeugt wird.
Gibt es ein bestimmtes Projekt oder Kunstwerk, das Dir besonders am Herzen liegt und warum?
Schwierig. Ich betrachte gerne das große Ganze. Oberthemen sind für mich sehr wichtig, weil sie die Möglichkeit einer kontinuierlichen Entwicklung bieten. Zum Beispiel habe ich vor kurzem angefangen, Selbstporträts zu machen, was ein faszinierender neuer Weg der Entdeckung meiner eigenen Person ist. Und: Meine aufblasbaren Figuren sind ein weiteres starkes Thema mit endlosem Potenzial. Ein anderes Thema sind Autos in Schwimmbädern …
… mit großem Herzinfarktpotential für die Menschheit! Was fasziniert Dich so sehr an Porsches, Pools und Palm Springs? Oder ist es ein falscher Eindruck, dass das Deine Lieblingsmotive sind?
Ich mag es, die Beziehung zwischen Autos und verschiedenen Umgebungen zu erforschen. Bestimmte Autos passen gut zu bestimmten Orten. Ich spüre eine starke Synergie zwischen dem Porsche 911 und Palm Springs/Kalifornien.
Wie läuft so ein Projekt bei Dir? Wie stellt man sich Chris bei der Arbeit vor? Ist es überhaupt Arbeit für Dich?
Der kreative Prozess ist organisch und immer im Fluss. Der Zeitrahmen kann je nach Projekt von einem einzigen Tag bis zu sechs Monaten oder länger reichen. Das Wichtigste ist, alle meine Gedanken auf Papier festzuhalten. Ich habe Papierstapel, die ich täglich durchblättere, um nach Dingen zu suchen, die mir irgendwann ins Auge gestochen sind. Der nächste Schritt besteht darin, die Idee zu etwas Raffinierterem und Fertigerem auszubauen.
Bei dem Bild „Zwölf Porsches in einem Pool“ habe ich zuerst mit der Architektur begonnen. Ich bin fasziniert vom Mid-Century-Design und habe mich von verschiedenen Referenzbildern inspirieren lassen. Nachdem ich die Umgebung geschaffen hatte, überlegte ich mir verschiedene Möglichkeiten, wie ich die Autos einbauen könnte. Vielleicht stehen sie auf dem Dach oder im Wohnzimmer des Hauses. Dann dachte ich, wie wäre esl, wenn ich sie in den Swimmingpool stelle. Und was passiert, wenn ich zwölf Autos hinzufüge?
Wir können Dir sagen, was passiert: die Menschen bekommen Herzattacken. Und die Designfreaks Glücksgefühle … Hat jemand wie Du auch mal kreative Blockaden? Was passiert dann?
Ich arbeite weiter und weiß, dass die Ideen irgendwann sichtbar werden. Für mich ist Kreativität vor allem eine Frage der Eigendynamik. Es ist ein bisschen wie beim Autofahren im Schnee. Man muss sich immer vorwärts bewegen, denn wenn man stehen bleibt, kann es schwierig werden, wieder in Gang zu kommen.
Gibt es Grenzen beim Mixen?
Nein, das glaube ich nicht. Es macht sehr viel Spaß, Dinge zu kombinieren, die keinen Sinn ergeben. Ein Porsche 911 und ein aufblasbarer Flamingo gehören nicht zusammen. Das eine ist ein komplexes, präzisionsgefertigtes Objekt. Das andere ist einfach nur Plastik und Luft. Durch die Gegenüberstellung verschiedener Elemente entsteht eine interessante Chemie. Es ist meine eigene Mischung aus 3D-Alchemie.
An welchem Projekt arbeitest Du gerade? Oder besser gesagt: Worauf können wir uns schon freuen?
Mein fünf Jahre alter Neffe hat eine ansteckende Begeisterung für Monstertrucks und das hat mich auf einige Ideen gebracht …
Chris. Danke fürs Gespräch und danke, dass es Typen wie Dich gibt. Alter Schotten-Rocker.
PS: der Mann macht das übrigens nicht nur zur Volksbelustigung im Internet. Mittlerweile lebt er sehr gut davon, hat Kunden wie Porsche, Apple, Nike, Jaguar, Lamborghini, Citroen, Lexus, Adidas, British Airways, Time Magazine, McDonalds und T-Mobile auf seinen Kontoauszügen stehen. Auf der Einnahmenseite natürlich, und nicht wie wir, auf der Ausgabenseite. Buch und Prints fürs Fan-Volk auf www.chrislabrooy.com
TEXT Thomas Senn & Michael Heimrich
FOTOS Chris Labrooy