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Ben Bernschneider. Style Cowboy.

Man kann die Gesamtheit der deutschen Männer jedweden Alters (und häufig auch ihre Frauen) mittlerweile in zwei Gruppen unterteilen: Menschen ohne Instagram, die weder etwas von Ben Bernschneider noch von gutem Geschmack gehört haben. Und Menschen mit Instagram – die ihn alle kennen.

9 Uhr. Es ertönt: „Guten Morgen, Ihr Lieben!“ 20 Sekunden später reißt Ben den Reißverschluss seiner Hose nach oben (man zuckt).

Eine eigene Armbanduhr ist nicht mehr nötig: wenn Ben auf Instagram erscheint ist es Punkt neun Uhr. Im Wohnzimmer seiner 35 Quadratmeter-Kemenate in Hamburg-Winterhude tritt er vor die Kamera. Aber nicht irgendwie. Das würde nicht zu Ben passen. Ben ist ein Getriebener. Ein kreativer Mensch, ein wohlerzogener noch dazu. Dennoch: Mehr als 30 Minuten seiner Aufmerksamkeit bekommst du selten. Dann muss er wieder Post its schreiben, Listen anlegen. Mit all seinen Ideen und Planungen. Auch für die Videos. Ben schreibt alles auf. Immer. Überall. Ob es aus seiner Zeit als Werbetexter kommt? Oder weil man als Styler auf so kleinem Wohnraum nicht nur zu Hause Ordnung halten muss, sondern auch im klugen Kopf?

Ich kenne Ben zum Glück schon seit der Zeit, als er mit Fashion nur privat etwas zu tun hatte. Als wir uns kennenlernten war er Fotograf. Analog. Ich hatte ihn bei YouTube entdeckt, als er über die Leica M6 referierte. Und ich wollte wissen, wer denn dieser ebenso schrullige wie putzige Schnauzbartträger vor der Dschungelfototapete in seinem Wohnzimmer sein mag. Es war da schon klar: der Kerl ist entweder ein Ohrfeigengesicht, das früher in der Schule grundsätzlich als Erster eine gefangen hat oder eben: einer der coolsten Typen ever, dem mal gerade alles egal ist. So stieß ich auf seinen analogen Fotokurs (vorbehaltlos der beste im weiten Internet), und irgendwann haben wir uns dann mal auf zwei schnelle Biere bei ihm vor der Haustür im strömenden Regen getroffen. Und mochten uns irgendwie.

Ben Bernschneider 2 1

Damals dümpelte Ben bei – allemal respektablen – 15.000 Followern dahin. Zusammengetragen aus seinen Karrieren als Texter, Regisseur, Buchautor, Magazinverleger (in Beidem ist er großartig. Er schreibt alle Texte mit einer seiner unzähligen mechanischen Schreibmaschinen und scannt die Seiten dann als Bilder ein für seine Bücher, damit nichts vom Spirit verloren geht), Musikproduzent (80ies-Sound) und eben Analog-Fotograf mit einer nicht von der Hand zu weisenden Vorliebe für schöne Frauen in urstcoolen Locations. 

Nicht, dass jetzt jemand denkt: bei allem gescheitert. Oh nein, Ihr habt nichts verstanden. Das hat er alles immer sehr erfolgreich bestritten. Aber eben immer nur so lange, bis es ihm nichts mehr gegeben hat und bis dahin auch immer nur als One-Man-Show. Da wird man nicht so reich und schön und berühmt wie Ihr. Wobei: One-Man-Show stimmt gar nicht wirklich. Ben macht nichts ohne seine Rike. Henrike Fehrs ist den Stubenhockern unter Euch bekannt aus vielen Fernsehserien wie zum Beispiel Verbotene Liebe. Und die Außerhausgeher haben sie schon mal auf einer Theaterbühne oder an der Staatsoper Hamburg gesehen. Und wer nix guckt und nie das Haus verlässt, der kennt zumindest ihre Stimme als Synchronsprecherin. Drei Fragezeichen. Kennt Ihr.

Rike ist Bens Sonnenschein. Er kocht für sie, er mixt Drinks für sie, er wäre am liebsten 24 Stunden mit ihr allein. Will man sich mit Ben treffen, wird er nach 30 Minuten nervös, weil Rike nicht dabei ist. Ist Rike dabei, wird er nach 30 Minuten nervös, weil er wieder mit ihr allein sein will. Ist man mit beiden befreundet, muss man sehr gefestigt sein und Alleinsein gut ertragen können.

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Wie kam es denn aber nun zu seinen Styling-Videos? Da ist Ben ganz offen: er hatte den Spaß an der Fotografie verloren und brauchte schlicht einen neuen Plan und Geld. Und wenn er was macht, dann mit vollem Herzen. Das kam an bei den Menschen. Auch bei Instagram an sich. Seine Followerzahlen sind von der ersten Stunde an förmlich explodiert. 20.000, 30.000, 50.000, alles quasi in einer Woche. Der Algorithmus von Insta hat erkannt, dass da einer ist, den die Leute mögen.

Und Ben kriegt sie alle: 18-Jährige, die ihr erstes Sakko suchen, Zahnwälte, die mal nicht wie Zahnwälte aussehen wollen, und auch die wirklich modisch interessierten Geeks. Weil er mega authentisch ist. 80.000, 100.000, 150.000. Er will niemandem was aufquatschen. Ganz im Gegenteil: gebetsmühlenartig erklärt er den Menschen, dass er ihnen eben keinen Rat gibt, welchen Anzug sie denn jetzt zur Taufe der dicken Tochter ihres dicken Chefs in diesem unsäglichen Vorstadtgärtchen kaufen sollen. Und auch dafür lieben ihn die Leute. Er ist immer witzig, immer klug, immer direkt. ICH habe noch nie einen einzigen bösartigen Kommentar eines Aufschreihalses unter einem seiner Beiträge gelesen. Und das schaffen nicht mal Kätzchenvideos. Good vibes only. 200.000, 250.000, 300.000. 

Selbst bei TikTok liebt ihn die allerletzte Generation. Er ist dort ihr Vater, den sie nie hatten. Ich kann es verstehen. Er ist gebildet, originell und eben wirklich authentisch. Er macht keinen Hehl daraus, dass er abends lieber Bier und Cocktails trinkt, als noch was zu essen. Warum auch? 330.000, 350.000, 390.000. Er lebt anders als die meisten auf Instagram kein zweites Leben. Ben ist Ben. Das muss man aushalten.

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So wie es BWL-Student Malte aushalten muss, wenn Ben sich um 9 Uhr vorstellt, wie er denn wohl heute als ein Malte angezogen wäre, müsste er nach Sylt um mit Kumpel Jonas über Big Business zu quatschen. Oder wie kulturelle Aneignungs-Phobiker durchmüssen, wenn Ben Burnsnyder die Cowboystiefel und den Stetson rausholt. Oder er mimt den Italo-Filmdozenten, ist sich nicht zu fein für das 80ies Aerobic-Outfit, präsentiert den Dekan aus Maryland, den Sport-Psychologen, den mysteriösen Fremden oder einfach mal das Leck-mich-Outfit.

Schaut es Euch auf Insta an (ich will mal nicht davon ausgehen müssen, dass sich hier TikToker eingeschlichen haben), Ihr werdet nicht dümmer davon. Aber besser unterhalten. Und wenn Klamotten Euch egal sind: Ben haut auch viele schöne Reisediamanten raus, vorzugsweise aus LA, Burger-Tests, Bier-Tests, Hotel-Tipps, Flugtipps, Film-Tipps, Buch-Tipps – halt. Es sind alles gar keine Tipps. Er sagt einfach, was ihm gefällt. Und besteht darauf, dass Ihr Euch gefälligst selbst überlegt, was Euch gefallen könnte. 

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Wir waren mit Ben für die Auto Couture-Ausgabe bei einem anderen Original: Jens Seltrecht. Der Inhaber der Garage 11 in Hamburg hat uns für zwei Stunden freie Auto-Auswahl gegeben. Ich hatte Ben zuvor gebeten, sich doch ein paar Autos bei Jens auszusuchen und sich jeweils passende Outfits zu überlegen. „Wie was? Nein nein. Man muss das Auto doch als ein wichtiges Accessoire ansehen, welches deine Persönlichkeit und deinen Look erst am Ende abrundet. Sonst verkleidet man sich doch nur. Oder hat das falsche Auto“, so Ben. Erst Persönlichkeit finden, dann Auto suchen. Ok, das war schon wieder klug.

Die zwei geplanten Stunden brauchten wir nichtmal. Ben ist ein Model. Und er wäre ein großartiger Schauspieler, wenn er denn schauspielern wollte. Aber er will nur Ben sein. Einfach einer, der uns kleinen Spießern gut tut. Mir tut er jedenfalls gut. 

Vielleicht waren wir aber auch nur so schnell fertig, weil er wieder heim wollte. Zu seiner Rike … Allerdings musste ich ihn fahren, Ben hat aktuell gar kein Auto. Er bräuchte wohl einfach zu viele als Accessoires …

Instagram: @benbernschneider

TEXT und FOTOS Thomas Senn

LESENSWERT.
WALTER.