0,00 €

Es befinden sich keine Produkte im Warenkorb.

E – ist angerichtet. Formel E hautnah.

Den Senn zu einem Elektroauto-Rennen einladen. Kann man machen. Wenn man mutig ist.

Vorab ein Warnhinweis: wenn Ihre Angst vor dem Zahnarzt im Geräusch des Bohrers begründet liegt, lesen Sie bitte auf keinen Fall weiter. Es wird sonst traumatisch für Sie. Wer aber den kreischenden Sound mag und/oder nach 2000 geboren ist und somit wahrscheinlich noch nie einen ausgedrehten 8-, 10- oder 12-Zylinder gehört hat, für den ist die Formel E ein Thema.

Überhaupt müssen wir erstmal alles löschen, was wir über handelsübliche Rennen wissen. Die Formel E setzt nicht nur auf einen alternativen Antrieb, sie geht mit dem ganzen Drumherum auch völlig neue Wege. Sie geht in die Großstädte, kommt zu den Leuten und bringt die Rennstrecke einfach mit. Zäune aufgestellt und los! So dass jeder einfach mit der Bimmelbahn oder zu Fuß zu den Rennen kommen kann.

A201339 medium 1

Wir haben für unseren durchaus skeptischen beäugten Selbstversuch Santiago de Chile gewählt. Also nicht gerade die Hochburg des Rundstreckensports. Es ist sogar davon auszugehen, dass 99 Prozent der Chilenen noch nie ein Autorennen live gesehen haben. Tja, und dann kommt die Formel E und alles ist voll (noch krasser: Mexico, siehe Bild oben). Moderate Eintrittspreise, mitten in der Hauptstadt und dazu ein Fan-Erlebnispark, der den Renntag eben auch zu einem echten Erlebnis macht. Junge Menschen, Frauen, Kinder, alle kommen. Haben einen lustigen Tag, ein spektakuläres Rennen und sind zum Abendessen wieder zuhause. Nochmal: mehr Kinder und Frauen als an dieser Rennstrecke finden Sie nur in Hamburger SUVs.

Einer der Gründe dafür – und da scheiden sich eben die Geister: es ist nicht laut. Zahnarztlaut halt. Aber nicht Brülllaut. Nicht Knochenfraßlaut.

A200386 medium 1

Also, wir haben jetzt: kinderkompatible Akustik, familienfreundliches Rahmenprogramm, städtische Lage. Das ist ja erstmal nichts, womit wir EUCH hinter dem Ofen vorlocken können. Und da sind wir beim nächsten Punkt: die Formel E will Euch gar nicht locken. Sie weiß, dass Ihr immer dagegen sein werdet. Sie setzt voll und ganz auf die Generation Playstation. Und darum sind Formel E-Rennen einem Videospiel auch nicht ganz unähnlich. Beispiel: der Fanboost! Es können tatsächlich Fans online ins Renngeschehen eingreifen! In dem sie für ihre Lieblingsfahrer voten, kann fünf Fahrern für fünf Sekunden zusätzliche Leistung im Auto freigeschaltet werden, damit sie zu einem Überholmanöver ansetzen können!

Auch treten die Fahrer gegen die Fans zwischen ihren Einsätzen am Simulator an, live an der Rennstrecke. Freies Training, Qualifying, Rennen, Unterhaltung: alles an einem Samstag. Der Sonntag gehört der Couch.

Volksnah ist das Stichwort

Scharen von Kindern in der Boxengasse: Formel E. Trubel in der Innenstadt: Formel E. Erlebnispark: Formel E. Spannende Rennen: sowieso nur Formel E. So viele Hersteller wie in keiner anderen Rennserie auf dieser Welt! Audi, BMW, Mercedes, Porsche, Jaguar, DS, Nissan, Mahindra und und und. 12 Teams, 24 Fahrer. Die sind nicht alle dabei, weil es doof ist. Sondern weil es neu und anders ist. Und eben neue Zuschauer generiert und nicht nur die verbliebenen in den Tod begleitet. Volksnah ist das Stichwort. Keine Glaspaläste und kilometerlange Motorhomes im Fahrerlager. Da steht ein Gartenpavillon mit nem Kühlschrank fürs Team. Und geschlafen wird im Hotel. Ist ja mitten in der Stadt. Und für die zahlungskräftige Sponsorenklientel gibt es ein seeehr großes Festzelt mit Klima, Leder, Fensterheber, Schampus und Buffet vom deutschen Feinkost Käfer. Wer nicht will, muss den „Formula E Club“ von BOSS nicht verlassen.

Was beim Rennen auch keine schlechte Idee ist, denn es kracht und qualmt gehörig auf der Strecke. Wer die ganze Action wirklich mitkriegen will, guckt die Trainings an der Strecke und das Rennen am Bildschirm. Da sehr viel mit Strategie gefahren werden muss (die Startladung würde nur für 75% der Distanz reichen, der Rest muss über Rekuperation beim Bremsen dazu gewonnen werden), halten die Fahrer ihre Strategie eben auch ein. Egal, ob da gerade einer im Weg rumfährt. Wenn Vollgas (was heißt denn Vollgas auf elektrisch? Voltgas?), dann wird auch Vollgas gefahren.

Das Volk tobt

Die Autos sind robust und werden entsprechend eingesetzt. Dran, drauf, drüber! Das sorgt für Hochspannung! Dabei sind die Karren gar nicht mal besonders stark oder schnell. Wie auch. Reine Elektromobilität funktioniert schon auf der Straße nicht auf langen Distanzen mit viel Leistung, da kann man bei einem Rennwagen erst recht nicht zaubern. Zwischen 200 kW (272 PS) im Rennmodus bis zu 250 kW (340 PS) im Fanboost-Modus liefern die Generation 2-Autos, Top-Speed max. 240 km/h, 0-100 in 2,8 Sekunden. Aber ganz ehrlich: das ist an der Strecke völlig wurscht. Wenn Felipe Massa, Sebastien Buemi, Andre Lotterer, Pascal Wehrlein, Jean-Eric Vergne, Lucas di Grassi und Daniel Abt sich um die Ohren und in die Autos fahren tobt das Volk.

A200355 medium

Bissi absurd kann es mal zum Rennende werden, wenn eben der eine noch 1,5 Prozent Batterieladung hat und sein Kontrahent nur noch 1 Prozent. Dann siegt die bessere Rennstrategie über den besseren Fahrer. Aber er ist ja dann ehrlicherweise auch nicht der bessere Fahrer: denn der hätte dafür gesorgt, dass er eben auch noch 1,5 Prozent hat. Ist für Außenstehende irgendwie na ja, aber für die Teams und Fahrer nahe der Raketenwissenschaft. Mit Einheitschassis, Einheitsreifen und Einheitsantrieben kann man eben nur über Aerodynamik, Endantrieb, Software oder Strategie zum und ins Ziel kommen.

So auch in Chile, als in der letzten Rennrunde die deutsche Nachwuchshoffnung Maximilian Günther im BMW i Andretti Motorsport erst von Felix da Costa im DS Techeetah mit Vollkontakt von der Siegerstraße geräumt wurde, der Deutsche aber kurz danach gnadenlos konterte (1 Prozent mehr Power, wir erinnern uns) und seinen ersten Sieg einfuhr! Da war eine Stimmung im VIP-Zelt wie am Ballermann, wenn die Engländer/innen blank ziehen! Wildfremde Ladys lagen sich feiernd an den gemachten Brüsten und distinguierte Gentlemen kippten sich vor Begeisterung Moët auf die Rahmengenähten aus Oxford. Nicht umsonst gibt es quasi in jedem Rennen einen anderen Sieger. Das ist halt nicht Formel 1. Zum Glück.

Es ist kein Entweder-oder. Man darf Verbrenner-Rennen mögen und gleichzeitig die Formel E lieben. Ich bin angefixt. Geht es Euch mal live angucken!

LESENSWERT.
WALTER.