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China: Harte Zeiten für BMW, Mercedes & Volkswagen.

Die Shanghai Motor Show hat es eindrucksvoll gezeigt: Die chinesischen Autobauer sind auf dem Vormarsch und der hiesige Markt immer umkämpfter. Schwierige Zeiten für Mercedes, VW, BMW & Co. brechen an.

Beim Schlendern über die Shanghai Motor Show fallen einem einige Sachen auf. Zunächst einmal der Grad der Professionalität, den die chinesischen Hersteller beim Auftritt auf ihrem Heimspiel hinlegen. Dann die Tatsache, dass sich manche einheimische Autobauer nicht einmal mehr die Mühe machen, ihre Botschaft ins Englische zu übersetzen. Von China für die Welt trifft nicht für alle zu. Offenbar setzt sich bei einigen die Ansicht durch, dass rund 1,4 Milliarden Einwohner mehr Kunden als genug sind. Das Reich der Mitte agiert als Markt zunehmend autark und kapselt sich von den Trends der anderen Regionen ab.

Das merkt man auch an dem Modellangebot. Mächtige SUVs und staatstragende Limousinen sind nach wie vor gefragt. Aber groß im Kommen sind auch Vans! Also jene Familienkutschen, die bei uns schon länger auf dem Abstellgleis stehen sind und durch SUVs ersetzt werden. Nicht so in China! Die Konsequenz und die Kundenorientiertheit, mit der die chinesischen Autobauer sich an den Wünschen ihrer Kunden orientieren, ist bemerkenswert. Ein Beispiel dafür ist der ArcFox Kaola, ein rollendes Kinderzimmer, das sogar erkennt, wenn das Baby pupst und die Gerüche einsaugt.

Umsatzrückgänge bei deutschen Marken

Und die deutschen Hersteller? Die hoffen auf ein Ansteigen der Auslieferungen in der Post-Corona-Zeit. Im Jahr 2022 wurden in China 23,6 Millionen Pkws verkauft, ein Anstieg um 9,5 Prozent. Allerdings ist die Sogwirkung bislang noch nicht im gewünschten Maße eingetreten. Eher im Gegenteil VW brachte 2022 rund 2,4 Millionen Fahrzeuge an den Mann, was einem Rückgang von 1,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Angesichts des starken Anstiegs des Marktes ein Schlag ins Gesicht. Bewährte Mechanismen funktionieren offenbar nicht länger. Premium ist kein Selbstläufer mehr. BMW musste 2022 einen Umsatzrückgang 6,4 Prozent hinnehmen, bei Audi waren es sogar zwei Prozent mehr. Lediglich Mercedes hielt sich mit einem Minus von einem Prozent einigermaßen über Wasser.

Alarmierend ist, dass dies keine Momentaufnahme ist. Laut einer Studie des „Center of Automotive Management“ (CAM) steigert der chinesische Autobauer BYD im ersten Quartal seine Verkäufe um 90 Prozent auf 552.076 Fahrzeuge im Vergleich zum Vorjahreszeitraum, während die deutschen Hersteller im Minus liegen. Die Elektromobilität ist in China auf dem Vormarsch, da es aktuell günstiger ist, ein Auto mit Strom zu laden, als es mit Benzin zu füllen. Dazu kommen die Zufahrtsbeschränkungen in einigen Innenstädten.

Bei Verbrennern weiterhin stark

Doch die großen Gewinner bei den New Energy Vehicle (NEVs) sind chinesische Hersteller wie GAC Aion, BYD, NIO, Xpeng und Li Auto. Laut der Münchner Unternehmensberatung Berylls haben die chinesischen Autobauer 80 Prozent der NEVs verkauft, während der Anteil beim Gesamtmarkt nur bei 50 Prozent liegt. Das bedeutet, dass die ausländischen Marken inklusive der Deutschen bei den Modellen mit Verbrennungsmotor nach wie vor stark sind. Eine Antriebsart, die auch in China nicht mehr ewig für Umsätze sorgen wird. 

Ein Teil der Probleme sind hausgemacht. Die chinesischen Automobilhersteller bieten beim Infotainment eine ebenbürtige, wenn nicht bessere Nutzer-Erfahrung als die deutschen Marken und hinken bei anderen Kerndisziplinen des Autofahrens wie dem Handling nicht mehr so weit hinterher. Zumal sie die gleichen Komponenten verbauen wie die Mercedes, VW, Audi & Co, nur beim Abstimmen hapert es noch. Beim stark ausgeprägten Nationalstolz der Chinesen greifen diese immer mehr zu inländischen Produkten, eben weil sie sich dort wiederfinden und die ganze Handhabung an ihre Gewohnheiten angepasst ist. Die deutschen Autobauer versuchen mit viel Elan hier nachzubessern und der Hyperscreen von Mercedes ist schon eine Ansage, doch Teufel steckt oft im Detail.

Immerhin hat BMW im ersten Quartal des Jahres 2023 rund 19.800 Elektroautos verkauft und damit den Umsatz im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht, aber das ändert nichts an der Tatsache, dass der chinesische Markt hart umkämpft ist. Tesla hat bereits die Verkaufspreisspirale nach unten gedreht, die anderen müssen wohl oder übel nachziehen. Eine Rabattschlacht ist das, was die deutschen OEMs in diesem Augenblick am wenigsten gebrauchen können. Schließlich sind noch dabei, die gesprengten Lieferketten zu reparieren und wenn dann noch die Preise nachgeben, schrumpft die Marge. 

Die Abhängigkeit von China

Allerdings offenbart sich auf diesem Gebiet eine Chance für die deutschen Autobauer, da chinesische OEMs wie Nio bei den Preisen ins Premiumsegment vorstoßen. Schließlich wollen und müssen die Chinesen auch Geld verdienen, um die immensen Investitionen, die die Transformation zur Elektromobilität verschlungen hat, reinzuholen. Eine andere Wahl, wie den Fehdehandschuh aufzunehmen, bleibt den deutschen Autobauern nicht. Zu groß ist die Abhängigkeit von größten Automarkt der Welt.

Eine aktuelle Auswertung des CAM unterstreicht den ansteigenden Anteil der Chinaverkäufe zum Gesamtabsatz im Jahr 2022: Bei Volkswagen waren es 40 Prozent, bei Mercedes-Benz 36,8 Prozent und bei BMW 33 Prozent, deutlich mehr als noch vor zehn Jahren. Auch Tesla verkauft mehr als ein Drittel seiner Produktion in dem großen asiatischen Land und wird alles dafür tun, seine Marktanteile zu verteidigen. Was es für die anderen nicht leichter macht. 

„Die Marktbedeutung von China für die deutschen Automobilhersteller erreicht derzeit ein Rekordhoch. Aufgrund der zunehmenden geopolitischen Spannungen und der hohen Wettbewerbsintensität von chinesischen Unternehmen steigt damit das Verwundbarkeitsrisiko erheblich“, wählt Professor Stefan Bratzel deutliche Worte. „Die deutsche Automobilindustrie sollte perspektivisch ihre technologische und marktbedingte Abhängigkeit reduzieren und auf eine stärkere strategische Ausbalancierung der globalen Absatzmärkte zielen. Gleichzeitig bestätigt sich immer mehr, dass chinesische Unternehmen in den Zukunftsfeldern der Branche rund um Elektromobilität, Vernetzung und autonomes Fahren zu den Hauptwettbewerbern zählen werden. Die Innovationsstärke wird für die deutsche Automobilindustrie zu einer Überlebensbedingung in Zeiten der Transformation.“

Die Konsequenz ist klar. Gegensteuern und nicht alles auf die Karte China setzen. Genau das hat BMW-Chef Oliver Zipse vor. Nur ist die Frage, ob es dafür nicht zu spät ist. 

TEXT Wolfgang Gomoll

LESENSWERT.
WALTER.