Es war nicht nur fällig, sondern überfällig, dass es den BMW 3er Touring als M gibt. Dennoch haben sich die Münchner 50 Jahre Zeit gelassen, bis es den Power-Kombi gibt. 50 Jahre? Ja, genau so lange gibt es die M GmbH bereits. Also ist der schnelle Gepäcktransporter eine echte Premiere.
„Der BMW M3 Touring ist ein Herzensprojekt der M GmbH“, erklärt Projektleiter Robert Pilsl. Das erklärt dann noch weniger, warum es so lange gedauert hat, bis das M-Signet auf dem Heck des Mittelklassen-Kombis prangt. „Wir denken, dass in einen M3 Touring ein Allradantrieb gehört“, sagt der drahtige Mann, der sicher selbst einige Testrunden gedreht hat und liefert im gleichen Atemzug die technische Erklärung. „Wir konnten den Allradantrieb und auch die Hinterachse der M3-Limousine ohne Einbußen oder Kompromisse übernehmen.“
Der Kunstgriff ist geglückt: Mit 7:35,060 Minuten ist der BMW M3 Touring der schnellste Kombi, der jemals die Nordschleife des Nürburgrings umrundet hat.
Wie diese Rekordfahrt zeigt, gibt es den Power-Kombi nur in der Competition-Variante mit Achtgang-Automatik. Das bedeutet, dass der M3 Touring mit 510 PS einem maximalen Drehmoment von 650 Newtonmetern über den Asphalt flitzt. Das sind 60 PS mehr als der Audi RS4 Avant. Wir gehen davon aus, dass der Mercedes-AMG C63 beide Bayern leistungsmäßig übertrumpfen wird. Jedoch mit Vierzylinder-Motor als Plug-in-Hybrid. Nicht jedermanns Sache.
BMW M3 Touring in 3,6 Sekunden auf Tempo 100
Bleiben wir beim BMW M3 Touring. Der hat ein Kofferraumvolumen von 500 Liter, das beim Umlegen der Rückbanklehnen auf 1.510 Liter wächst. Der Allradantrieb sorgt dafür, dass aus dem Stand nach nur 3,6 Sekunden die 100 km/h erreicht sind und es mit optionalen M Drivers Package bis maximal 280 km/h weiter geht.
Klingt beeindruckend, aber stellt auch eine Herausforderung für die Ingenieure dar. Denn bei einem derart schnellen Auto, das 4,79 Meter lang ist, muss auch die Verwindungssteifigkeit der Karosserie zur Kraft passen. Sonst wird die Power-Fuhre schnell zum Albtraum. Zumal beim Touring die Hutablage der Limousine nicht vorhanden ist. Wer keine Kopfbedeckung sein eigen nennt, wird das freuen.
Allerdings fehlt dann auch das stabilisierende Trägersystem zwischen den C-Säulen. Also haben die Ingenieure das aufwendige Strebenpaket aus dem M3 und M4 mit einem Strebenbock hinter der Hinterachse eingezogen und so die Verstärkungen nach hinten verbunden. Die Torsionssteifigkeit scheint beim M3 Touring dennoch ein großes Thema zu sein. Ein Panorama Glasdach wird es nicht geben. Das hätte auch das Gewicht gesteigert, das ohnehin mit 1.865 Kilogramm (ohne Fahrer) um 85 Kilogramm höher ist als bei der Limousine.
Auch der Touring muss sich wie ein M3 fahren lassen
„Ein BMW M3 muss sich auch als Touring fahren wie ein M3“, erklärt Robert Pilsl die Detailversessenheit der Techniker. Die konzentriert sich hauptsächlich auf das Heck, da der Touring bis zur B-Säule identisch mit dem M4 und der M3-Limousine ist. Abtrieb ist beim Münchner Power-Kombi gerade bei hohen Geschwindigkeiten genauso wichtig wie bei den beiden Brüdern. Das bedingt die Kombination aus Diffusor und Dachspoiler. Beim Blick auf das Heck fallen die dicken Backen über den 285er-Walzen auf. Die haben die Ingenieure aufgrund des Steinschlages mit einer Folie versehen.
Die Technik ist identisch zu der des M3 und M4. Das Fahrwerk ist speziell auf den schnellen Kombi abgestimmt. Ein aktives Differenzial an der Hinterachse ist ohnehin bei jedem echten BMW-M-Modell gesetzt. Der Allradantrieb favorisiert die Hinterachse und beschert den Fahrer mit einer ganzen Reihe von Konfigurationsmöglichkeiten: 4WD, 4WD Sport und M-traditionsgemäß reinen Hinterradantrieb, sobald die Fahrstabilitätsregelung deaktiviert ist.
Das Infotainment wird von den beiden M-Technik-Verwandten übernommen. Das bedeutet: große Apps-Kacheln, einen Touchscreen als Kommandozentrale, sichelförmige Anzeigen im virtuellen Cockpit, einen Drehdrücksteller und ein Head-up-Display. Ab Dezember steht der BMW M3 Touring beim Händler und kostet in Deutschland mindestens 97.800 Euro, das sind 1.000 Euro mehr als die Münchner für den BMW M3 Competition mit xDrive aufrufen. „Das Auto wird gut einschlagen“, ist sich Robert Pilsl sicher. Allerdings nicht in den USA, die Amerikaner bleiben als Kombi-Verachter außen vor.
Dafür rechnen die BMW-Strategen mit einer besonders großen Nachfrage aus dem Heimatland und Großbritannien, aber auch im Rest Europas sowie in Japan und Australien werden sich Käufer für den BMW M3 Touring finden.
TEXT Wolfgang Gomoll