Die Meldung aus dem Sitzungssaal eines kalifornischen Gerichts wäre normalerweise nicht der Rede wert. Doch der Mandant, dem unlängst die Abwicklung der Privatinsolvenz gewährt wurde, war Jia Yueting, chinesischer Milliardär und Gründer des Elektro-Start-Ups Faraday Future. Damit tritt das „Chapter 11“ des amerikanischen Insolvenzrechts in Kraft, der eine kontrollierte Reorganisation Firmenfinanzen eines zahlungsunfähigen Unternehmens regelt. Das Prozedere wurde durch die Tatsache ermöglicht, dass mindestens 80 Prozent der angeblich rund 100 Faraday Future Gläubiger dem Plan zugestimmt hatten.
Das sind gute Nachrichten für das chinesisch-amerikanische Unternehmen, denn jetzt kann man sich um neue Investoren und die dringend benötigte Finanzspritze bemühen. Denn ohne die wird es für Faraday Future ziemlich eng und die Zukunft des ehemals gepriesenen Unternehmens schaut düster aus. Ob sich in Zeiten der COVID-19 Pandemie das Kapital auftreiben lässt, steht in den Sternen. Von den hochfliegenden Plänen, die man noch vor vier Jahren auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas verkündet hat, ist nicht mehr viel übrig. Aus der Fabrik in Las Vegas wird nichts, stattdessen soll das erste Modell FF91 in einer wesentlich bescheideneren Produktionsstätte in Kalifornien vom Band laufen.
Ob das, wie ursprünglich geplant, noch dieses Jahr geschehen wird, ist ebenfalls ungewiss. Dass man kleinere Brötchen backen muss, ist auch dem neuen CEO Carsten Breitfeld bekannt, der klar machte, dass Faraday Future zwei weitere Modelle braucht, um überlebensfähig zu sein. Wie das klappen soll, wenn schon der FF91 eine solch schwere Geburt ist, weiß aktuell niemand. Breitfeld, der sich selbst gerne als Steve Jobs der Automobilindustrie sieht, ist selbst kein Muster an Beständigkeit. Der ehemalige BMW- und Byton-Manager wechselte letztes Jahr zur chinesischen Firma Iconiq und heuerte kurz darauf bei Faraday Future an. An Ideen, um das Überleben zu sichern, mangelt es nicht: Um an Geld zu kommen, will Faraday Future auch zum Zulieferer mutieren und seine Technik anderen Unternehmen zu Verfügung stellen.
Doch Faraday Future steht nicht allein an der Finanz-Klagemauer. Der chinesische Elektromobilhersteller Byton befindet sich ebenfalls in einer finanziellen Schieflage – das COVID-19 Virus tut sein Übriges. Im April schickte Byton im nordamerikanischen Hauptquartier 200 Angestellte in Kurzarbeit. In Nanjing lief Ende vergangenen Jahres zwar die Vorproduktion des Erstlingsfahrzeugs M-Byte an, aber von der Großserie ist der Neuling noch entfernt. Den geplanten Verkaufsstart des M-Byte, der in USA und Europa im dritten Quartal dieses Jahres stattfinden sollte, haben die Chinesen schon auf 2021 verschoben.
Mittlerweile zieht der Staatskonzern FAW und damit die chinesische Regierung im Hintergrund die Fäden. Das Engagement mag zwar bei der klammen Finanzlage helfen, bremst aber Bytons Expansionsgelüste ein. Das ist eventuell auch ein Grund, warum sich die Topmanager zuletzt beim Verlassen der Firmenzentrale die Türklinke in die Hand gaben. Nach Carsten Breitfeld, sagte auch Marketingexperte Henrik Wenders zum Abschied leise Servus und heuerte bei Audi an.
Subventionen weg und einbrechende Nachfrage
Der chinesische Konkurrent Nio musste im vergangenen Jahr ein Aderlass hinnehmen: Mit Jack Cheng verließ der Mitgründer das Unternehmen. Offiziell wurde das Ausscheiden mit seinem Alter begründet, aber da Cheng für die Fertigung, Fahrzeugentwicklung und das Lieferkettenmanagement verantwortlich war, dürfte der Abschied mit Problemen in diesen Bereichen zusammenhängen. Dass Nio in eine Schieflage gerät, erstaunt. Das Shanghaier Start-Up gilt als gut geführt. Zumal mit dem ES8, dem ES6 schon zwei Fahrzeuge auf dem chinesischen Markt sind, während sich manche Konkurrenten noch in Ankündigungen verlieren. Aber der Wegfall von Subventionen und eine einbrechende Nachfrage auf dem Heimatmarkt hat Nio in Schwierigkeiten gebracht. Kurz: Das Geld wurde knapp und der Pleitegeier schwebte über den vielversprechenden Start-Up.
Es scheint aber Licht am Ende des Tunnels zu geben. Eine Investorengemeinschaft unter Leitung der Hefei City Construction and Investment Holding, CMG-SDIC Capital will bis zum März 2021 rund 1,5 Milliarden US-Dollar investieren. „Die Investition ist ein weiterer wichtiger Meilenstein für das langfristige Wachstum des Elektroautoherstellers. Aufgrund des Investments wird Nio über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, um seine Geschäftsentwicklung voranzutreiben“, ließ der Autobauer verlauten.
TEXT Wolfgang Gomoll; press-inform