Retro-Elektroautos wie Renault 5 oder der angedachte Lancia Delta sind gerade groß in Mode. Doch wie wäre es, wenn man einen Sechszylinder mit über 500 PS in einen Klassiker verpflanzt? Die Hamburger-Klassikspezialisten von Emilia Motors tun genau das: Sie nehmen den 510 PS den Dampfhammer der aktuellen Alfa Rome Giulia Quadrifoglio und verpflanzen das Triebwerk in den Motorraum der klassischen Alfa Romeo Giulia GT, die Fans der italienischen Traditionsmarke einfach nur „Bertone“ nennen und dabei leuchtende Augen bekommen.
Das klingt ganz wunderbar, aber ein Biturbo-Ungetüm, das mit 600 Newtonmetern Drehmoment auf die Antriebswelle einprügelt, zerreißt doch die Karosserie des automobilen Vorfahren. „Wir müssen das Auto natürlich ein bisschen anpassen“, sagt Dr. Ralf-Hendrik Steinkühler, einer der Initiatoren des ungewöhnlichen Projektes und untertreibt dabei typisch hanseatisch etwas.
Die Umbauten umfassen deutlich mehr als nur ein bisschen Bördeln. Im Grunde bekommt die Giulia ein neues Chassis, dem der klassische Hut aufgesetzt wird. Aber auch da wird kräftig Hand angelegt. „Im Grunde müssen wir alles vor der Windschutzscheibe wegschneiden“, sagt Ralf-Hendrik Steinkühler. Sprich, der Motorraum wird modifiziert, um das moderne Triebwerk unterzubekommen. Vor allem das Kühlungspaket des aufgeladenen Sechszylinders beansprucht Raum.
Um das Chassis der Retromod-Giulia der Leistung anzupassen, holen sich die Hamburger Oldtimer-Spezialisten mit Velo Performance einen passenden Partner ins Boot. Die Tuningspezialisten haben schon den Ruf CTR mitentwickelt und wissen also, wie man viel PS auf die Straße bringt, ohne dass einem die Kotflügel um die Ohren fliegen.
Dass der neue Unterbau deutlich steifer sein wird als bisher, liegt auf der Hand. Teile der aktuellen Giulia können weiterverwendet werden, darunter Teile der Achsen und das ZF-Achtganggetriebe. Also wird es mit dem handgerissenen Purismus bei der Emilia GT Veloce nichts werden. Dafür gibt es Schaltpaddel am Lenkrad, damit sich der Fahrer ganz auf die Straße konzentrieren kann. Auch das Licht wird dem aktuellen Stand angepasst. Statt der Alfa-Funzeln strahlen vorn LED-Leuchten und der Fahrer thront in einem modernen Recaro-Sportsitz.
Das ist auch nötig. Mit einem Gewicht von nur 1.250 Kilogramm wird diese Giulia deutlich leichter als das aktuelle Modell und auch keinen ESP-Rettungsanker haben, sondern lediglich ABS und eine Traktionskontrolle. Das Gewindefahrwerk steuert KW bei. Die Dekra hat auf die Konstruktion der Italo-Legende mit neuer Technik ein waches Auge, damit die Zulassung reibungslos über die Bühne geht. Da es von der Emilia GT Veloce nur 22 nummerierte Exemplare geben wird, gilt der Retrorenner als Kleinstserie für die spezielle Bestimmungen zutreffen.
Vorbild für die Emilia GT Veloce ist das, was die US-Boys von Singer mit Porsche macht. Also soll möglichst viel vom ursprünglichen Alfa Romeo erhalten bleiben. Früher galt eine derartige Modernisierung wie sie Emilia Auto mit der Giulia plant, bei echten Alfisti als Frevel. „Aber da hat sich die Szene verändert und das Echo auf unser Auto war zu 95 Prozent positiv“, freut sich Ralf-Hendrik Steinkühler und ergänzt: „Für mich war es wichtig, dass das Projekt mit Respekt vor dem Original geschieht.“
Deswegen war es eine unumstößliche Prämisse, dass das ursprüngliche Design so weit wie möglich erhalten bleibt. Die Entscheidung des Ursprungautos fiel zwischen einen Lancia Delta und eben dem Alfa Romeo „Bertone“. Ausschlaggebend war auch, dass Lancia aktuell nur noch vergleichsweise wenig Autos baut, und es für Emilia Motors wichtig ist, dass in das Fahrzeug möglichst viele Teile der gleichen Marke verbaut werden.
Für Steinkühler, der die Idee für so ein Auto vor zwei Jahren hatte, ist die Giulia auch eine Herzensangelegenheit. Denn promovierte Kaufmann ist seit seinem ersten Auto, einem Alfa Romeo Sud, mit dem Virus des italienischen Autobauers infiziert. Die Liebe zu schönen Autos blieb und so konnte sich der Geschäftsmann ein dichtes Netz in der Youngtimer-Szene aufbauen. Davon profitiert er jetzt. Denn an die Spender-Giulia GTs kommen Steinkühler und sein Team auf ganz klassischem Wege, indem man Angebote in den bekannten Portalen durchstöbert.
Natürlich muss die Basis in einem guten Zustand sein. Rostlauben sind keine Option und da von der Giulia GT in den 1960er und 1970er-Jahren rund 220.000 Autos gebaut wurden, ist die Auswahl an Teilen noch recht groß. Ganz seltene Exemplare kaufen die Hamburger nicht an. Dass Ralf-Hendrik Steinkühler und sein Team einen Blick für gute Autos haben, erkennt man, wenn man sich in der Zentrale von Emilia Autos umschaut. Hier stehen Automobile Preziosen, wie ein klassischer Maserati Ghibli oder ein Ferrari Testarossa.
Menschen, die sich solche Autos leisten können, sind die Klientel für die Emilia GT Veloce. „Das ist ein Nischen-Auto für Kunden, die unter der Woche elektrisch fahren und am Wochenende etwas Besonderes bewegen wollen“, verdeutlicht Steinkühler. Der Klassiker mit moderner Technik wird zwischen 400.000 und 450.000 Euro kosten. Bereits im zweiten Quartal des nächsten Jahres soll das Auto präsentiert werden. Manche können es nicht erwarten. Vor allem aus den USA liegen schon viele Reservierungen vor.
Wolfgang Gomoll; press-inform