Keine große Überraschung, dass dieser Trend im Laufe der vergangenen fünf Jahre aus den USA nach Europa schwappte. Als es hier keiner noch zu träumen wagte, bauten Bastelexperten und Autotuner in den frühen 2000er Jahren bereits coole Klassiker um und spedierten ihnen neue Technik. Zahllose Spezialfirmen nahmen sich alte Ford Broncos vor, belebten Toyota Land Cruiser mit modernster Technik oder bauten unter die Motorhaube einer alten Corvette einen modernen ZR1-Motor. Robert Dickinson wurde mit seinen Singer-Porsche zur amerikanischen Sportwagenlegende. Über US-Muscle-Cars und Offroad-Klassiker aus den USA und Japan schaffte der Restomod-Trend letztlich auch den Sprung über den Atlantik nach Großbritannien und Deutschland.
Singer hat sich als Porsche-Veredler weltweit einen einzigartigen Namen gemacht. Wie bei Coca-Cola bleibt auch bei den amerikanischen Westküsten-Tunern das ursprüngliche Rezept erhalten: Man nehme einem möglichst gut erhaltenen Porsche 911 der Baureihe 964 und modifiziere ihn mit modernen Bauteilen, so, dass das Auto zwar leistungsfähiger ist, aber so wenig wie möglich von seinem Flair verliert. Aber wie das auch bei Coca-Cola der Fall ist, muss hin und wieder eine neue Geschmacksrichtung her. Was beim Softdrink die Cherry Coke oder Coke Zero ist, ist bei Singer ein Porsche 964 Turbo Cabrio. Robert Dickinson: „Viele andere folgen unserem Beispiel. Aber diese Firmen feiern sich selbst und nicht das Auto. Alles, was Singer in Zukunft mit einem Porsche 911 machen wird, wird etwas sein, bei dem das Auto im Zentrum steht und nicht um etwas zu bauen, was es bisher nicht gegeben hat.“
Keine große Überraschung, dass im Trend von coolen 70er und farbenfrohen 80ern auch immer mehr Firmen auf den Marketingwert der Restomod-Modelle aufsprangen. Opel machte aus einem Manta A einen lässig-gelben Elektrosportler, der weit über die Grenzen der Autoszene von sich reden machte. Das Einzelstück sollte farbenprächtig für den Umschwung der Blitzmarke in die Elektromobilität werben. Ein Volltreffer! Die sehenswerte Karosse zeigt dabei die bekannt geschwungenen Rundungen des Volkssportlers aus den 1970er Jahren. Einst bei den Tunern gelebt, sind die verchromten Stoßstangen vorn wie hinten verschwinden – analoger Purismus der digitalen Neuzeit.
Für Hightech-Charme sorgt der digitale Kühlergrill mit LED-Augen sowie die digitale Instrumenteneinheit aus dem Mokka-e. War die stärkste Version des Opel Manta A einst jedoch gerade einmal mit 77 kW / 105 PS unterwegs, so legt das elektrisierte Einzelstück eine kräftige Schippe obenauf. Unter der schwarz lackierten Haube arbeitet ein Elektromotor mit strammen 108 kW / 147 PS und 255 Nm Drehmoment. Neben dem Elektromotor, der den Vierzylinder-Verbrenner ersetzt und Traditionalisten zur Besinnungslosigkeit treibt, ist in den Katakomben des Opel Manta A ein Akkupaket mit einer vergleichsweise überschaubaren Kapazität von 31 kWh verborgen.
Der koreanische Autobauer Hyundai läutete mit Neuauflagen des Pony sogar seine Designsprache für seine aktuellen Modelle wie den Ioniq 5 ein. Jetzt gestalten Hyundai und das italienische Designbüro GFG Style unter den Gründern Giorgetto Giugiaro und seinem Sohn Fabrizio das Pony Coupé Concept von 1974 neu, das der junge Giorgetto Giugiaro für das Markendebüt von Hyundai auf dem Turiner Autosalon 1974 entworfen hatte: „Ich habe den Hyundai Pony entworfen, als ich noch ein junger Designer am Anfang meiner Karriere war. Ich war sehr stolz darauf, dass ich ein Fahrzeug für ein Unternehmen und ein Land entwerfen durfte, das im Begriff war, sich auf einem hart umkämpften globalen Markt zu behaupten. Jetzt fühle ich mich zutiefst geehrt, dass Hyundai mich gebeten hat, den Pony für die Nachwelt und als Hommage an das Erbe der Marke neu zu gestalten.“
Im Jahr 1974, als Hyundai Motor noch in den Anfängen der Fahrzeugproduktion steckte, beauftragte die Geschäftsleitung des Unternehmens den italienischen Designer Giorgetto Giugiaro, das erste eigenständige Hyundai-Modell und damit gleichzeitig auch das erste koreanische Serienfahrzeug zu entwerfen. Während des Entwurfs und der Herstellung der Prototypen beschloss Hyundai, den Pony und das Pony Coupé auf dem Turiner Autosalon zu zeigen, um das Debüt der Marke zu forcieren.
Mit seiner keilförmigen Front, den runden Scheinwerfern und geometrischen Linien war das Pony Coupé an sich gleichermaßen für den nordamerikanischen und europäischen Markt gedacht. Aufgrund der ungünstigen Wirtschaftslage wurde das Projekt 1981 noch vor der Massenproduktion gestoppt. 2019 ließ sich Hyundai vom ursprünglichen Pony für das Konzeptfahrzeug „45“ inspirieren, der schließlich im Serienfahrzeug des Ioniq 5 mündete. 2021 interpretierte Hyundai das ursprüngliche Pony Serienfahrzeug als Restomod-Elektrofahrzeugkonzept neu. Und 2022 griff Hyundai das Coupé Concept mit dem N Vision 74 mit Wasserstoff-Hybridantrieb, nochmals auf.
TEXT Stefan Grundhoff für WALTER