Knapp drei Wochen vor dem Start geht sein Daumen nach oben. Rafael Diez, Erbauer des „Röhrl x 911“, jener Porsche, den der Ex-Weltmeister mit exakt 911 Unterschriften veredelte, hat das Fahrzeug erstmals mit eFuel betankt und keinerlei Unterschiede zu bisherigen Kraftstoffen feststellen können. „Alles im grünen Bereich“, freut sich der Porsche-Spezialist, nachdem er alle wichtigen Werte ausgelesen hat.
Röhrl wird mit dem 975 Kilo leichtem, aber 375 PS starken Fahrzeug an der dritten Ausgabe der „Röhrl-Klassik“ teilnehmen. Während er auf den Straßen rund um Winterberg ein vorschriftsmäßiges Tempo wählt, dürfte er am Samstag auf der Rennstrecke „Bilster Berg“ das Gaspedal kräftiger treten.
Seit geraumer Zeit engagiert sich Röhrl in Sachen „eFuel“ und setzt große Hoffnungen in diese Entwicklung, damit auch künftig historische Fahrzeuge bewegt werden können. „Der synthetische Kraftstoff ist eine tolle Möglichkeit, dass man ganz schnell etwas Effektives für die Umwelt macht“, urteilt Röhrl.
E-Fuels werden mit Hilfe von Strom hergestellt. Per Elektrolyse wird Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufgespaltet. Für die Herstellung von Benzin ist noch Kohlenstoff vonnöten, der sich aus industriellen und landwirtschaftlichen Abgasen entnehmen lässt, im Idealfall lässt er sich schlicht aus dem CO2 der Umgebungsluft filtern. Porsche unterhält mit Betreibergesellschaft Highly Innovative Fuels (HIF) seit 2022 eine Versuchsanlage in Chile, die ihren Strom aus Windkraft gewinnt und bereits E-Fuel produziert. Auch wenn der saudische Öl-Gigant Aramco im spanischen Bilbao eine ähnliche Anlage hochgezogen hat, bisher steht der im Labor erzeugte Sprit lediglich in homöopathischen Dosen zur Verfügung, und so muss schon ein Walter Röhrl kommen, um 250 Liter des kostbaren Saftes zu ergattern.
3. Röhrl-Klassik
Stolze 150 Teilnehmer zählt das Feld der dritten Ausgabe der Röhrl-Klassik, die vom 18. bis 21. September rund um Winterberg im Hochsauerland stattfindet. An der Spitze fährt standesgemäß Walter Röhrl mit der Startnummer 1. Ein Höhepunkt der abwechslungsreichen Strecke dürfte der Abstecher auf den „Bilster Berg“ werden, dort können die Fahrer nicht nur ihr Können auf der Rennstrecke zeigen, ganztägige Veranstaltungen rund um das Thema „Porsche“ werden eine Vielzahl von Enthusiasten anlocken.
Die Klassiker-Gemeinde steht dem Thema E-Fuels bisher eher reserviert gegenüber. Die Besitzer haben Angst um die Standfestigkeit ihrer Motoren, was nicht zuletzt daraus resultiert, dass E-Fuel häufig mit „Bio-Sprit“ in einen Topf geworfen wird. Der wird aus Nutzpflanzen oder Pflanzenabfällen gewonnen, die Nation tankt bereits seit 13 Jahren einen zehnprozentigen Anteil Biosprit mit jedem gezapften Liter Super E10. Betagte Motoren werden bisher mit Additiven gefüttert, um Schäden zu vermeiden. Ein Porsche-Ingenieur versichert: „Wer E10 tanken kann, kann auch E-Fuels fahren.“
E-Fuels werden im Labor erzeugt. Bei Porsche versichert man: Den Kohlenstoffketten ist es egal, ob sie aus der Fabrik oder aus dem Bohrloch kommen. Aus den Rohmaterialien lässt sich synthetischer Kraftstoff jeder benötigten Rezeptur gewinnen, sogar bis zu in Luftfahrt oder Rennsport geforderten Qualitäten. So bestreitet beispielsweise der Porsche-Supercup seine Rennen mit dem chilenischen Sprit. Der rein synthetische Kraftstoff gleicht in seinem chemischen Fingerabdruck exakt dem aus Rohöl gewonnen Super-Benzin.
Die Verbrennung läuft mit E-Fuels sogar sauberer ab, denn dem farblosen Laborsprit fehlen gegenüber dem aus eingeschlossener Biomasse entstandenen fossilen Öl die biologischen Rückstände, sogenannte Aromate, die bei der Verbrennung eher stören. Anders als fossiler Sprit zersetzt sich synthetisches Benzin bei langen Standzeiten nicht, ein weiterer Vorteil in der Oldtimer-Szene. Zum Beweis für die Unbedenklichkeit ließ Porsche den Original-Prototypen des 356 bei der Rennsport-Reunion in Laguna Seca mit dem HIF-Sprit aus Patagonien antreten.
Wolfgang Inhester wollte beim letztjährigen Eifel-Rallye-Festival mit seinem Porsche 911 SCRS einen Stein ins Rollen bringen. Er orderte ein Fass E-Fuel von Fuelmotion, eine Firma, die ihren Sprit von Aramco bezieht. Als sich Inhesters Elfer hustend und sprotzend über die erste Prüfung quälte, sahen sich die Pessimisten schon bestätigt, aber der deutsche Rallyemeister von 1980 (an der Seite von Achim Warmbold) gab schnell Entwarnung: „Das Problem in der Eifel war schlicht ein Defekt an der Zündung und hatte nichts mit dem Sprit zu tun.“ Der Rothmans-Porsche lief anschließend wieder wie ein Uhrwerk und auch Röhrl-Tuner Diez hat vor der Röhrl-Klassik keine Bedenken: „Ich habe das Steuergerät ausgelesen. Keine Probleme.“
Kritiker halten E-Fuels für eine Schimäre, betonen den schleppenden Anlauf der Produktion, die mangelnde Verfügbarkeit und vor allem den Preis. Die Kohlenstoffgewinnung aus dem natürlichen CO2 der Luft gestaltet sich schwieriger als gedacht, eine ausführliche Umweltprüfung in Chile verzögert den Bau einer industriellen Produktion in großem Maßstab. Weil die Energiegewinnung gegenüber rein elektrischem Strom um den Faktor fünf höher ist, berechnen manche auch einen fünf Mal so hohen Preis. Die Ölbranche kalkuliert mit einem eher zwei Mal höheren Verkaufspreis. In der reinen Gewinnung kostet ein Liter Benzin bei Aramco 60 Cent, bei E-Fuels kalkulieren die Saudis mit 80 Cent.
Will die Welt weg von fossilem Sprit gibt es ohnehin nur einen Weg: nach vorn. Auch wenn Porsche bis 2030 mit einer Elektrifizierung der Flotte auf 80 Prozent kommen will, der 911 soll auch künftig von einem Verbrenner mit Sechszylinder-Boxer angetrieben werden. Davon abgesehen: Schätzungen zufolge sind rund 70 Prozent aller jemals gebauten Porsche noch auf der Straße unterwegs.
TEXT Michael Heimrich & Markus Stier für WALTER #22