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Die neue DTM. Das muss besser werden.

Hauen und Stechen beim Finale der neuen DTM am Norisring. Das Verbesserungspotenzial bleibt groß und so schauen alle auf 2022.

Die DTM ist tot, es lebe die neue DTM. Der Schlachtruf hallte im letzten Winter durch die deutsche Motorsportlandschaft. Die Rennserie, einst ein wahrer Publikumsmagnet, war nach dem Ausstieg von Audi im Corona-Sommer 2020 kollabiert. Der einzig verbliebene Konkurrent, BMW, verabschiedete sich danach auch logischerweise – froh, nicht selbst Auslöser für den Exodus gewesen zu sein.

Nur einer kämpfte für das Weiterleben der Traditionsrennserie: Ex-Formel-1-Pilot Gerhard Berger. Der Österreicher setzte als Chef der DTM-Organisationsgesellschaft ITR alle Hebel in Bewegung. Sein Vorteil: Er genießt in der Szene hohes Ansehen, ist extrem gut vernetzt und für seine pragmatischen Lösungsansätze bekannt. 

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Sein Konzept war ein radikaler Bruch mit dem Werkssport der Automobilhersteller. Statt sündhaft teurer, eigens für die DTM produzierter Tourenwagen sind jetzt GT-Fahrzeuge am Start. Sie sind bereits auf der halben Welt in den verschiedensten Championaten im Einsatz. Teams können sie rennfertig bei den Herstellern kaufen – zu einem Bruchteil der Kosten der bisherigen DTM-Fahrzeuge. So sausen statt deutscher Mittelklasselimousinen und -coupés Boliden vom Schlage eines Ferrari, McLaren und Lamborghini um die DTM-Strecken. Das Ganze wird angereichert von deutschen Supersportwagen wie Audi R8, BMW M6 und Mercedes-AMG GT. Doch auch für sie gilt: Die rund 1.400 Kilogramm schweren, bis fast 600 PS starken Rennwagen werden von den Herstellern nur gebaut – eingesetzt werden sie von unabhängigen Teams. Dass dabei einige mehr Nähe zu den Werken aufweisen als andere, ist ein kleiner Schönheitsfehler.

Trotzdem: Offiziell sind die Automobilhersteller nicht mehr mit von der Partie. Mit ihnen verschwanden auch die großen Hospitality-Paläste und der enorme Marketingaufwand. So wirkt ein Bummel durch das für die Zuschauer offene Fahrerlager einige Nummern kleiner als gewohnt und hat fast schon etwas von Breitensport. Dazu passt, dass die Horden von Media-Experten verschwanden, die bis dahin die Fahrer mit inhaltslosen, aber mehrfach abgestimmten Phrasen fütterten. Folglich ist die Ausdrucksweise der Piloten klarer, offener und frecher – ohne Frage ein Gewinn, denn es menschelt wieder mehr. 

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Das kommt offenbar gut an. Die Fernsehquoten sind trotz des Konzeptwechsels auf gleichem Niveau wie in den letzten Jahren. SAT1, wo die Rennen im Free-TV zu sehen sind, erreichte im Sommer mit neun Prozent Marktanteil bei den 14- bis 49-Jährigen einen sensationell guten Wert. Dass die Zuschauerzahlen vor Ort immer noch gegenüber den früheren Jahren hinterherhinken, ist Corona geschuldet: Einige Läufe fanden ohne Publikum statt, andere mit starken Restriktionen und wieder andere – etwa das Finale am Nürnberger Norisring – bekamen erst kurzfristig eine Freigabe.

Gerhard Berger, der im Hintergrund die Strippen zieht, könnte eigentlich zufrieden sein: „Wie es aktuell läuft, hatte ich im letzten Herbst vielleicht gehofft – rechnen konnte ich damit nicht.“ Immer mindestens 20 Fahrzeuge am Start, bis zu sieben Marken und viele bekannte Piloten vollzogen das DTM-Comeback auf hohem Niveau. Und: Bis zur letzten Veranstaltung hatten vier Piloten mit drei unterschiedlichen Fabrikaten Chance, die Meisterschaft zu gewinnen. Die Chancengleichheit ist im GT-Sport eine besondere Herausforderung. Die unterschiedlichen Fahrzeugkonzepte verlangen nach viel Fingerspitzengefühl bei der Einstufung der einzelnen Typen. Geregelt wird das mit der BOP, der Balance of Performance. Das ist auch international so üblich und wird von Rennen zu Rennen angepasst. Ganz typisch ist dabei auch, dass ein Fahrzeug mal besser, mal schlechter wegkommt und sich das Ganze irgendwie ausmittelt. Die DTM umwehte in diesem Jahr allerdings der Beigeschmack, dass manche bevorzugt würden, weil man froh war, die Marke am Start zu haben. 

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Noch offensichtlicher wurde der Vorwurf bei den sportlichen Strafen, die die Rennkommissare für Vergehen auf der Strecke vergaben. Kleinigkeiten wurden mit vergleichsweise drakonischen Fünf-Sekunden-Strafen geahndet, Größeres blieb bisweilen ungesühnt. Die Entscheidungen sorgten bei Fans und Experten immer wieder für Diskussionen. Dabei wird bei den Rennen unverhältnismäßig rau gefahren, was im GT-Sport eher unüblich ist. 

Die Eskalation folgte im allerletzten Rennen: Eine Serie böser Fouls, bei denen teilweise auch Vorsatz hätte unterstellt werden können, sorgte reihenweise für Schäden, wirbelte das Feld durcheinander und schoss vor allem Titelfavoriten aus dem Rennen. Was am TV und auf den gut besuchten Tribünen unterhaltsam und spektakulär aussah und bis zu einem gewissen Grad auch gewünscht ist, offenbarte die größte Schwäche der neuen DTM: die fehlende einheitliche Härte des Sportgesetzes. Was nicht konstant bestraft wird, verleiht den Piloten Mut zum Risiko. Gerhard Berger, der zu Beginn seiner Karriere auch gern bis ans Limit und darüber hinaus ging, hat in diesem Punkt noch eine Mammutaufgabe für die nächste Saison.

TEXT Wolfgang Hörner; press-inform

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