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Der Lange im Kurzen. Röhrl testet Sport quattro.

Kein Fünfzylinder-Special ohne den König der Vielzylinder: 200.000 Mark, 306 PS, sticht. Der kurze Audi Sport quattro ist seit 1984 feuchter Traum eines jeden normalen Menschen. Aber er war auch irgendwie eine Fehlkonstruktion. Michael Stoschek besitzt einen und versucht ihm seit Jahren Manieren beizubringen. Ob es gelungen ist? Wir haben da mal einen Testfahrer mitgebracht …

Es ist einer der Tage, vor denen manche ein bisschen Respekt haben könnten. Michael Stoschek (BROSE) und Walter Röhrl (Weltmeister) sind beides keine Männer, für die Plätze in der zweiten Reihe reserviert werden. Die beiden sitzen im Leben vorn. Immer. Und so vermuten Unwissende schnell, dass das ein wahnsinnig spannender Tag werden kann, oder aber einfach ein wahnsinniger Tag. Jeder, dem man von diesem Termin im Vorfeld erzählt hatte, sagte sowas wie „Götterdämmerung“, „Alfatiere“ und „oha“.

Ich will es vorwegnehmen: ich mag beide sehr gern. Und darum war es wie immer (wenn ich sie treffe) sehr entspannt. Beide haben sich vorbildlichst benommen, waren höflich, gut gelaunt, hatten einfach Freude. Was man ja wohl auch bitte erwarten darf, wenn der eine einen von 220 gebauten Sport quattros besitzt, den er viele Jahre lang perfektioniert hat und der andere in solchen Autos sein Geld verdient hat und heute endlich mal wieder auf abgesperrten Strecken damit rumtoben darf. Und ganz nebenbei bekommt man ja auch von mir nicht jeden Tag Besuch, das allein sollte schon die allergrößte Freude sein, was ich aber wohl nur ganz allein in meinem Reihe-zwei-Köpfchen so träume. 

10.30 Uhr sind wir in der Nähe von Coburg verabredet, 9.45 Uhr klingelt das Telefon bei mir im Hotel-Badezimmer. „Thomas, ich bin jetzt da, wo bist Du?“ Röhrl hatte sich wieder seinem liebsten Hobby gewidmet: die vorausberechnete Ankunftszeit des Navis soweit es geht zu unterbieten. Was hier bedeutete: 45 Minuten auf einer Drei-Stunden-Fahrt rauszufahren. Also gut, Abbruch Morgenwäsche und zu Michael Stoschek gerast. Bevor die besten Plätze weg sind.

Auf der kurzen Fahrt hab ich mich nochmal an die Achtziger erinnert. Denn tatsächlich hatte ich damals schon als Führerscheinneuling das Vergnügen, mit Olli Schmidtke (einem wildgewordenen Rallye-Fahrer) in seinem seltenen kopenhagenblauen Sport quattro dessen Heimat in Vechelde ein paar Mal auf links zu drehen. Ich fuhr zu der Zeit noch meinen siebten Käfer und durfte ab und an mal Mamis 90 PS Golf 2 Syncro durchladen (gegen 50 PS waren 90 PS sowas wie durchladen!). Der Sport quattro war da ein anderer Kosmos für mich. Frühkindliche Prägung. Ich bin diesem Überauto seitdem verfallen. Und den Fünfzylindern im Allgemeinen. Aber wer ist das nicht? Ihr wisst schon. Daran kann man normale Menschen erkennen.

Audi Sport quattro

Aber auch damals war schon zu ahnen: die langen Quattros fahren eigentlich besser als die kurzen. Zumindest in der Straßenversion. Klar, hatte der Sport quattro 106 PS mehr und war damals das stärkste Straßenauto (selbst ein 911 Turbo hatte nur 300, aber der war ja auch 100.000 Mark billiger). Nur: der Motor VOR der Vorderachse (VOR DER VORDERACHSE!!!) war in Kombination mit dem um 32 cm geringeren Radstand fahrdynamisch einfach eine Katastrophe. Bei den Rallye-Autos wurde nicht grundlos die gesamte Kühlung und alles andere, was irgendwie abschraubbar war, ins Heck verlegt. Und auch die verschweißte Zelle war ein klein wenig stabiler, als die bei Baur zusammengebaute Straßenversion mit der Verwindungssteifigkeit eines Hefezopfes mit dick Butter. Und dazu natürlich das verzögerte Ansprechverhalten des Turboladers, bei dem es auf dem letzten Stück des Heimwegs gar keinen Sinn mehr ergab, nochmal Vollgas zu geben, weil der Bumms erst am nächsten Morgen auf der Fahrt zur Arbeit einsetzen würde.

All diese Nachteile waren es, die den Perfektionisten Stoschek seit der Übergabe seines (damals noch tornadoroten) Sport quattros im Jahr 1984 gewaltig störten. „Ich habe mit meinen Leuten dann irgendwann begonnen, die Fehlkonstruktion des Herrn Piëch zu Ende zu entwickeln“, lacht Stoschek über sein ehrgeiziges Engagement. Und auch wenn es wie ein Spaß klingt: Michael Stoschek macht bei sowas dann auch Ernst.

Ich liste mal auf, was an dem Auto alles versucht wurde und schreibe in Klammern Michael Stoscheks Kommentar dazu:

Begonnen hatte alles (wie sie oft) bei Alfons Hohenester, der dem Wagen 400 PS verordnete, die Bremse aufgerüstet hat und erste Fahrwerksänderungen vornahm. Dann 2010 der nächste Fahrwerksumbau auf KW („nicht zufriedenstellend“), 2011 erneuter Umbau bei KW auf dem Fahrwerksprüfstand („nicht zufriedenstellend“), 2012 Fahrwerksumbau bei Romo Motorsport („nicht zufriedenstellend“), 2013 Umbau des Turboladers bei Lehmann in Liechtenstein („nicht zufriedenstellend“), 2014 Versteifungen am Unterboden eingeschweißt und Überrollbügel mit der Karosserie verschraubt („hat große Wirkung gezeigt!“), 2015 kurze Übersetzung eingebaut („nicht zufriedenstellend“) und gleich wieder ausgebaut, 2019 dann der letzte Schritt: Im Bilstein Technical Center in Bozen wurde ein maßgefertigtes Bilstein MDS 2-Wege-Fahrwerk in Verbindung mit Eibach ERS-Federn verbaut. Und es geschah etwas kaum noch Erhofftes: Der Audi fuhr. Dahin, wo er sollte und Stoschek wollte. Aber geht das vielleicht NOCH besser? Wenn man so lange an einem Auto arbeitet, dann will man es perfekt haben. 

Und darum war es nun nach Corona endlich an der Zeit, mal jemanden damit fahren zu lassen, der um die Probleme des Autos weiß. Der ein begnadeter Fahrer ist. Dem man vertraut. So kam ich ins Spiel!

Aber leider nur um Walter Röhrl zu fragen, ob er Bock hätte. Erste Reihe, zweite Reihe, Ihr wisst schon. Walter fuhr zwar meist die versteiften und gewichtsoptimierten Werksautos, aber natürlich kannte er als Audi-Werksfahrer auch die Straßenversionen.

Audi Sport quattro

Oh, es ist in meiner Geschichte 10.59 Uhr. Der Terminplan sieht Testfahrt für 11 Uhr vor, Kaffee, plaudern, Bummel durch die Stoschecksche „Garage“ sind vorbei (Röhrl dazu: „Das ist schon was anderes als meine Hartz4-Garage“). Also, ab in den Sport quattro. Also die beiden Herren. Die sitzen ja vorne. Ich mit kalten Fingern an die Teststrecke zum Fotografieren. Wer Röhrls Ungeduld und Stoscheks Perfektionismus kennt, weiß, dass du als Fotograf VORHER anmelden musst, wie oft sie an dir vorbei fahren. Ungeplant geht da nix. Und weil die Männer gutgelaunt waren, konnte ich sie von „dreimal hier und dreimal dort“ vor dem Mittagessen um 12.30 Uhr überzeugen. 

Für mich war es fein, für die beiden Männer auch. Stoschek: „Wir sind ja wegen Deiner Fotos immer nur die kurze Strecke hin- und hergefahren. Aber gar keine Frage: man merkt natürlich, dass der Walter ein Auto sehr gut bedienen kann. Wir verstehen ja nun beide genug von Fahrphysik, so dass ich auf sein Urteil sehr gespannt war. Und ich war sehr froh, als er meine Meinung bestätigte!“

„Besser fuhr so ein Sport quattro nie!“

Aber was war denn Röhrls Meinung? „Besser fuhr so ein Sport quattro nie! Besser bekommt man ein Straßenauto nicht hin, ohne jetzt einen Käfig einzuschweißen und die Technik ins Heck zu verlegen“, so Röhrls beeindruckte Aussage.

Stoschek: „Ich habe wirklich kein einziges Auto, an dem wir mit so vielen Leuten so viel herumexperimentiert haben! Aber jetzt kann da ein Haken dran! Von Röhrl geadelt, das reicht mir. Endlich können wir uns wieder um andere Autos kümmern“, sagt Stoschek lachend. Und ich sehe, wie seinen Mechanikern vier Steine sportlich von den Herzen fallen.

Walter Röhrl

Eine Frage hab ICH aber noch, nein zwei. Die erste: „Warum hast Du den Wagen weiß lackiert?“

Stoschek: „Nach 20 Jahren hatte ich mich erstens an dem Rot satt gesehen und zweitens hab ich das Auto quasi fast nur im Winter gefahren. Ich beweg meine Autos ja alle, da war eine Überarbeitung dringend mal notwendig. Weiß gefiel mir, also wurde er weiß. Und außerdem verzeiht Weiß dem Auto seine teils schwierigen Proportionen am meisten. Front vom Audi Coupé, dann die Audi 80-Tür und das kurze Heck – für mich passt das nicht zusammen … und was ist die zweite Frage?“

„Darf ich mal fahren?“

„Klar. Hier sind die Schlüssel. Ich bin im Haus. Bis später“.

TEXT und FOTOS Thomas Senn

PS: Die kurzen Proportionen mit der Audi 80-Tür (mit wundervoller 80er Jahre Fensterkurbel im Innenraum) sind das schönste am ganzen Auto. Meiner wär deshalb Malachitgrün, da sieht man es am besten. Aber das sag ich dem Michael nicht. Sonst war es das mit meinem Platz in Reihe 1.

LESENSWERT.
WALTER.